Beratungsstellen fordern Konsequenzen

Tief in den Institutionen verankerter Rassismus hat dazu geführt, dass die Morde nicht aufgeklärt und somit ungehindert fortgesetzt werden konnten, dass Spuren in die rechte Szene nicht verfolgt, Rassismus als Tatmotiv nicht in Betracht gezogen wurde. Stattdessen wurden die Familien der Opfer über Jahre verdächtigt und traktiert, ihre ermordeten Angehörigen als Drogenhändler – oder in andere »Machenschaften« verstrickt – diskreditiert. Man habe ihnen die Möglichkeit genommen zu trauern, schreibt Semiya Şimşek, die Tochter des ersten Mordopfers in ihrem Buch »Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater«; erst 12 Jahre nach der Ermordung habe man der Familie zugestanden, Opfer zu sein. Die Begründungen für die Tätersuche im Umfeld der Opfer sind alarmierend. »Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist«, kann man in einer polizeilichen Fallanalyse lesen, und dass der »rigide Ehrenkodex« der Opfergruppe nach Südosteuropa weise. Es handelt sich hier nicht um »Ermittlungspannen«, sondern um systematische, von Vorurteilen geprägte Fehlleistungen. Vor allem bei rassistisch motivierten Gewalttaten ist die Opfer-Täter-Umkehr ein bekanntes Muster. Şimşek und ihr Coautor Schwarz verweisen auf eine Studie, die die Opferperspektive 2004 veröffentlichte. Falluntersuchungen von Anschlägen auf migrantische Imbissbetriebe in Brandenburg zeigen, dass den Opfern immer wieder unterstellt wird, sie hätten z.B. selbst Feuer gelegt, um Versicherungssummen zu kassieren oder der Anschlag sei die Tat eines Konkurrenten gewesen. Sind keine – in den Augen der Ermittler – eindeutigen Hinweise wie Hakenkreuzschmierereien vorhanden, wird ein politischer Hintergrund ausgeschlossen. Bei den in Brandenburg untersuchten Vorfällen zeigte sich jedoch, dass alle ermittelten TäterInnen aus dem rechten Umfeld kamen, auch wenn sie keine Parole, kein entsprechendes Symbol hinterlassen hatten. Die Liste der Opfer rechter Gewalt ist lang. Viele der Todesopfer tauchen in den offiziellen Statistiken nicht auf, weil Behörden und Gerichte das politische Motiv nicht erkannten. Deshalb fordern Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt schon lange, dass Ermittlungsbehörden dazu verpflichtet werden sollen, bei Taten gegen die typischen Opfergruppen von rechter Gewalt stets ein politisches Tatmotiv durch Ermittlungen in diese Richtung aktiv auszuschließen.

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