»Nein zum Heim« – Hetze und Anschläge gegen Flüchtlinge

»Nein zum Heim in Bad Belzig« hatte innerhalb weniger Tage 500 Befürworter. »Nein zum Heim in Gransee« konnte innerhalb einer Woche 900 Anhänger sammeln. Das Vokabular auf diesen Seiten ist bekannt: von Asylschwemme ist die Rede, kriminellen Ausländern, Rundum-sorglos- Pakete für Asylbetrüger usw. Es werden Ängste und Neid geschürt. Man gibt sich als unabhängig aus, distanziert sich sogar von der NPD und dem Neonazismus, gleichzeitig wird aus der rechtsradikalen Jungen Freiheit zitiert, NPD-Videos hochgeladen und gegen die üblichen Feindbilder gehetzt. Unter den Diskutierenden sind wie zufällig die NPD-Funktionäre und einschlägige Neonazis der Region zu finden.

In Pätz, einem kleinen Ort im Landkreis Dahme-Spreewald, war es das gleiche Spiel. Auch hier soll eine neue Flüchtlingsunterkunft entstehen. Auch hier eine anonyme »Nein zum Heim«-Bürgerinitiative auf Facebook. In kurzer Zeit wurden zwei Aufmärsche gegen die geplante Unterkunft organisiert und die TeilnehmerInnen angewiesen, auf einschlägige Symbole zu verzichten, um als Bürgerprotest zu erscheinen. Nicht nur in Brandenburg, auch in anderen Bundesländern versuchen Neonazis die gestiegenen Flüchtlingszahlen dafür zu nutzen, eine »Bürgerbewegung« zu formieren, die ihre Parolen übernimmt. Sie können an Besitzstandsängste, Unwissenheit, Vorurteile und rassistische Ressentiments anknüpfen und das Gemisch radikalisieren. Alt bekannte rhetorische Muster, die im Laufe der Jahre auch von der etablierten Politik immer wieder benutzt wurden, werden vitalisiert und sind anschlussfähig für die Ideologie von NPD und Kameradschaften. In Brandenburg haben Landes- und KreispolitikerInnen außerdem viel zu spät angefangen, die in den letzten Jahren abgebauten Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge wieder aufzustocken. Statt integrationsorientierte Unterbringungskonzepte zu erarbeiten, stritt man sich lange um Zuständigkeiten, mit dem Ergebnis, dass nun an vielen Orten gleichzeitig und überstürzt neue Massenunterkünfte eingerichtet werden. Sie sind nicht nur für die BewohnerInnen eine Zumutung, sondern wirken auch nach außen stigmatisierend. Angesichts der angespannten Situation stellt die Landesregierung nun kurzfristig zusätzliche Mittel zur Verfügung, um Kreise zu unterstützen, den selbst verschuldeten »Unterbringungsnotstand« zu entschärfen.

Im September wurde im Havelländischen Premnitz eine leerstehende Schule angezündet, die als neue Flüchtlingsunterkunft vorgesehen ist. Vorher war im Internet gehetzt worden. Der Brand konnte gestoppt werden, aber weitere Angriffe sind zu befürchten, denn in der Umgebung um Premnitz gibt es eine starke rechte Szene und im Ort selbst ist die Stimmung rassistisch aufgeheizt. Das noch leere Gebäude steht nun unter Polizeischutz. Einen Monat zuvor gab es einen Brandanschlag auf das Heim in Luckenwalde. Sylvester hatte es einen Brandanschlag in Beelitz auf ein Gebäude gegeben, das dort zur Flüchtlingsunterkunft werden sollte. Die Kreisverwaltungen organisieren Bürgerversammlungen, um zu informieren und für Akzeptanz zu werben. Für Neonazis eine willkommene Plattform. In Pätz war man so klug, bei der Versammlung nur Ortsansässige einzulassen. Die angereisten Neonazis aus den Nachbarkreisen und Berlin mussten sich mit einer Kundgebung vor der Tür begnügen, aber die lokalen Rechten machten Stimmung – wie derjenige, der auf die Frage, wie lange die Flüchtlinge denn bleiben werden, in den Saal rief »bis es brennt«. In Gransee konnte weitgehend unbehelligt von Agitatoren über die »Ängste« von AnwohnerInnen vor Kriminalität, Dreck und Immobilienwertverlust diskutieren werden. Die Erinnerung an die neunziger Jahre führt zu Wachsamkeit. Fast überall in Brandenburg gibt es Widerstand gegen Aufmärsche und Kundgebungen.

Es entstehen Willkommensinitiativen. Patenschaften für Flüchtlinge, Deutschunterricht und andere Hilfestellungen werden angeboten. Und mancherorts begreift man die Flüchtlinge sehr handfest als Bereicherung. In Letschin, einem kleinen Ort im menschenleeren Oderbruch, hat man die Chance erkannt, mit Flüchtlingskindern die Schule vor der Schließung retten zu können. Die Einschätzungen der Lage gehen weit auseinander. Ob Brandenburg ein »rassistischer Flächenbrand« droht, wie manche befürchten oder die rechte Mobilisierung weitgehend ins Leere läuft, wie andere meinen, ist von vielen Faktoren abhängig. In jedem Fall sind die Flüchtlinge, die ihren Wohnort nicht selbst wählen können, Spielball der politischen Entwicklung. Dagegen wehren sie sich. Es gab Flüchtlingsproteste gegen unwürdige Wohnbedingungen in Potsdam, Prenzlau und Eisenhüttenstadt, gegen die neonazistische Propaganda gingen sie in Teltow-Fläming auf die Straße und überall in der Bundesrepublik kämpfen Flüchtlinge für Bewegungsfreiheit im Land.

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