Rechte Gewalt und institutioneller Rassismus

Inhalt

  1. Rassistische Gewalt
  2. Alltäglicher Rassismus
  3. Behördlicher Rassismus
  4. Gesetzlicher Rassismus
  5. Institutioneller Rassismus
  6. Bürokratie und soziale Verantwortungslosigkeit
  7. Zusammenhänge
  8. Anmerkungen

Rechte Gewalttaten gegen MigrantInnen erregen vergleichsweise mehr öffentliche Empörung als die Menschenrechtsverletzungen durch den in unserer Gesellschaft verankerten institutionellen Rassismus. Das Interesse an den konkreten Lebensbedingungen von Flüchtlingen ist minimal. Sie werden lediglich als die Opfer rechter Schläger wahrgenommen. Ein Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen wird in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Die Flüchtlinge aus zwei Rathenower Heimen haben diesen Zusammenhang Anfang 2000 angesprochen und damit eine neue Debatte angeschoben. Die folgende Darstellung orientiert sich an ihren Erfahrungen. In diesem Beitrag sollen keine Definitionen gegeben werden, was nun genau unter welcher Form des Rassismus zu verstehen ist. Stattdessen wird versucht, die Begriffe phänomenologisch aus der Perspektive der Betroffenen zu entwickeln, also die Perspektive der Opfer, ihre Weltsicht, ihre Wahrnehmung und ihre Lebenswelt zu rekonstruieren. Hierfür soll zunächst die Erfahrung von rassistischer Gewalt, von Rassismus im Alltag und auf Behörden beschrieben werden. Dann folgen einige Bemerkungen zur Funktionsweise des institutionellen Rassismus, um zuletzt eine Antwort auf die Frage nach dem Zusammenhang der Phänomene zu suchen.

Rassistische Gewalt

Seit Januar 2000 betreut der Verein Opferperspektive Khalid M., einen pakistanischen Flüchtling, der in der Silvesternacht von Skinheads zusammengeschlagen wurde. An Khalid M. können die typischen psychischen und sozialen Prozesse einer rassistischen Gewalttat beobachtet werden. Der Angriff löste bei ihm eine Einschüchterung aus, ein Gefühl der Ohnmacht und ein Gefühl der totalen Verletzbarkeit. Er traute sich nicht mehr aus dem Heim heraus, aus Angst vor neuen Angriffen, aus Angst, die Täter könnten ihm erneut begegnen, wieder erkennen und ihn noch mal mit dem Tode bedrohen. Diese Todesangst verursacht ein psychische Lähmung, die ihn in seinem Alltag keinen Augenblick loslässt. Wie jedes Opfer stellt er sich die Frage nach den Gründen des Überfalls. Warum haben sie gerade ihn angegriffen? Sie, die rechten Schläger, haben ihn nicht angegriffen, weil er irgendetwas getan hätte, das diesen Angriff rechtfertigen könnte. Es ging nicht um sein individuelles Verhalten, es ging um seine reale oder auch nur scheinbare Gruppenzugehörigkeit. Er wurde nur deshalb angegriffen, weil die Täter ihn nach seiner äußeren Erscheinung der Kategorie Ausländer zugeordnet hatten. Diese Botschaft verstehen auch alle anderen, die unter diese Kategorie fallen. Und so hat das, was Khalid M. passiert ist, nicht nur Auswirkungen auf seine individuelle psychische Konstitution, sondern auch auf die der anderen Asylbewerber, die erkennen müssen, dass die Täter nur von einem Feindbild »Asylant« angetrieben wurden. Alle werden sie von der Angst angesteckt, alle reagieren sie mit Vorsicht und mit dem Rückzug aus dem gesellschaftlichen Leben.

Alltäglicher Rassismus

Eine solche, auf das Feindbild »Ausländer« gestützte Behandlung erfahren sie nicht nur von den neonazistisch orientierten Skinheads, die sie zusammenschlagen. Ein ebenso rassistisch aggressives Verhalten widerfährt ihnen auch fast täglich im Supermarkt, wenn sie zum Beispiel ein ganz »normaler« Familienvater anpöbelt: »Was machen die Scheiß-Ausländer hier?« 1 Diese Feindseligkeit und Ablehnung, die ihnen von einem Teil der Bevölkerung entgegenschlägt, ist ebenfalls rassistisch. Das äußere Erscheinungsbild, das biologisch determiniert ist, wird mit bestimmten Eigenschaften verknüpft. Ihnen wird eine bestimmte, feststehende nationale ›Kultur‹ zugeschrieben, Kultur hier verstanden als die Gesamtheit selbstverständlicher Verhaltensweisen, Wertorientierungen, Einstellungen, Sitten und Gebräuche.

Aus der Sicht der Flüchtlinge besteht ein Unterschied zwischen der rechtsextrem motivierten Gewalt der jugendlichen Skinheads und der Feindseligkeit oder Gleichgültigkeit der restlichen Bevölkerung. Der alltägliche Rassismus der normalen Deutschen ist für sie aber eine Art Vorspiel für einen möglichen gewalttätigen Angriff. Und so ist es offensichtlich, dass zwischen beiden Formen des Rassismus, dem gewalttätigen neonazistischen und dem gewaltlosen alltäglichen Rassismus der normalen Deutschen, ein enger Zusammenhang besteht. Beide Verhaltensweisen verfolgen letztendlich das gleiche Ziel: die Vertreibung der Flüchtlinge. Und so setzen die jugendlichen Täter im Skinhead-Outfit lediglich den Wunsch eines großen Teils der deutschen Bevölkerung in die Tat um.

Behördlicher Rassismus

Es gibt noch einen dritten Bereich, in dem die Flüchtlinge rassistisches Verhalten erleben. Auf den Ämtern, von den Behörden und ihren Vertretern werden sie »wie der letzte Dreck« behandelt, als Menschen zweiter Klasse. Auch hier, auf dem Sozialamt, der Ausländerbehörde, bei der Polizei, schlägt ihnen Feindseligkeit und Verachtung entgegen. Sie haben den Eindruck, die Bürokraten seien nicht dazu da, ihnen bei ihren Problemen zu helfen, sie zu unterstützen, sondern im Gegenteil dazu, sie zu schikanieren, sie zu kontrollieren und sie schließlich abzuweisen. Hinter diesem fehlendem Entgegenkommen bis hin zur Verweigung von Hilfe und der damit verbundenen »Grobheit« steht ebenfalls die Absicht, es den Flüchtlingen in unserer Gesellschaft so schwer wie möglich zu machen. Ziel ist die Abschiebung und damit die Vertreibung der Flüchtlinge, nur dass die Abschiebung nicht die gesamte Gruppe betrifft, sondern jeden Einzelnen, individuell, je nach Stand ihrer Asylverfahren. Die Abschiebung individualisiert und nährt Hoffnungen auf individuelle Lösungen, die zu einem kontrollierbaren, konformen Verhalten der Flüchtlinge beitragen.

Zunächst erleben die Flüchtlinge den Rassismus auf der Behörde als personalisiert, gebunden an individuelle Bürokraten, von diesen individuell verantwortet. Es gibt schlechte und gute Bürokraten, freundliche und abweisende, je nach der Ausprägung ihres subjektiven Rassismus. Auf dieser Erfahrungsebene besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Rassismus der normalen Deutschen 2 auf der Straße und dem Rassismus der Bürokraten, HeimleiterInnen, SozialarbeiterInnen und PolizistInnen, den Funktionären des Staates.

Gesetzlicher Rassismus

Die Flüchtlinge leiden nicht nur unter dem individuellen Rassismus einiger rassistischer Bürokraten, sondern auch unter den Gesetzen, die diese ausführen. Diese Gesetze zwingen die Flüchtlinge zu einer menschenunwürdigen Existenz. Die Rathenower Flüchtlinge haben in ihren Memoranden fünf Säulen des gesetzlichen Rassismus ausgemacht 3 .

Ihnen wird das Recht auf Bildung verweigert, insbesondere darauf, die deutsche Sprache zu erlernen. Damit fehlt ihnen die Grundvoraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Nach der so genannten »Residenzpflicht« dürfen sich Flüchtlinge nur in dem Landkreis bewegen, dem sie zugeteilt wurden. Für Fahrten zum Beispiel nach Berlin benötigen sie eine Genehmigung der Ausländerbehörde, die auch verweigert werden kann. So verfügte der brandenburgische Innenminister Schönbohm, dass kein Flüchtling zum Karawane-Kongress im Juni 2000 nach Jena fahren durfte. Wird ein Flüchtling ohne »Urlaubsschein« aufgegriffen, muss er ein Bußgeld von 125 DM zahlen, und das bei 80 DM Taschengeld im Monat. Das Arbeitsverbot führt dazu, dass sie auf eine Existenz untätigen Wartens reduziert werden, den ganzen Tag nur essen, warten, schlafen. Sie werden von Sozialhilfe abhängig gemacht. 80 DM Taschengeld wird den Flüchtlingen im Monat bar ausgezahlt, 310 DM in Form von Wertgutscheinen, die in ausgewählten Geschäften gültig sind. So wird ihnen die vermeintliche Freiheit des Geldes verweigert. Aufgrund der Unterbringung in isolierten Heimen am Rande oder außerhalb der Städte erleben sie sich als Ausgestoßene der Gesellschaft.

Diese gravierenden Einschränkungen werden als Rassismus erfahren, als ungerechtfertigte Benachteiligung, der sie nur aufgrund ihrer Nationalität und Herkunft ausgesetzt werden. Das Leiden unter diesen Lebensbedingungen – geregelt von den Ausländer- und Asylgesetzen und ausgeführt von den Behörden – kann so stark sein, dass es psychische Krankheiten und Depressionen auslöst. Jedweder Lebensperspektive in dieser Gesellschaft beraubt, reduziert sich ihr Lebensinhalt auf das Warten, fast immer ein Warten auf die Abschiebung und damit auf ein ungewisses Schicksal, das womöglich den Tod bedeutet.

Institutioneller Rassismus

Aus der Perspektive der vom institutionellen Rassismus Betroffenen ist die Frage nach seinen Ursachen und Funktionsweisen nicht entscheidend. Wichtig ist hier nur die soziale und psychische Auswirkung, die Erfahrung des Rassismus, der als Unrecht erfahren wird, als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, als Verletzung der universalen Menschenrechte. Für Handlungsansätze gegen den Rassismus ist diese Frage jedoch durchaus relevant. Wird Rassismus allein als kulturelles Phänomen begriffen, als individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen, erscheinen Maßnahmen wie antirassistisches Training für BehördenmitarbeiterInnen geeignet, um ein solches Verhalten zu ändern. Die Struktur der Institution könnte unberührt bestehen bleiben. Anders verhält es sich, wenn man den Rassismus als den Strukturen der Institutionen und Regelungen immanent begreift.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den rassistisch diskriminierenden Vorschriften, Gesetzen und institutionellen Arrangements auf der einen Seite und den Verhaltensweisen der sie ausführenden FunktionsträgerInnen auf der anderen. Vorläufig beschrieben ist es ein Korrespondenz-Verhältnis: Die Macht der Institutionen, der grundlegenden Handlungskonstellationen, der Praxisformen und – strukturen führt zur Gewöhnung, zur schleichenden Anpassung an die Logik der Institutionen, an ihre Ziele und Kontrollmechanismen. Wichtig ist hier die bürokratische Form, in der die rassistischen Sondergesetze ausgeführt werden. Ein Teil ihrer Folgen sind der Bürokratie im Allgemeinen geschuldet und lassen sich auch in Behörden beobachten, die mit einer deutschen Klientel zu tun haben, wie etwa dem Sozialamt.

»Das kann ich auch nicht ändern. Das ist Vorschrift.« Die MitarbeiterInnen der Behörden identifizieren sich mit der ganzen Bandbreite des ausländerrechtlichen Instrumentariums, vom Verweigern eines Urlaubsscheines über die Ablehnung einer Kostenübernahme für eine Zahnbehandlung bis hin zur Anordnung von Abschiebehaft. An die Handlungen binden sich Gefühle des Misstrauens, der Aggression, der Distanz und der Verachtung. Die MitarbeiterInnen einer Behörde begegnen den AntragstellerInnen von Anfang an mit dem Verdacht, dass sie unrechtmäßig Leistungen beziehen könnten, die ihnen vom Gesetz her nicht zustehen. In der Ausländerbehörde zu arbeiten, macht rassistisch. Dieser Blick auf die TäterInnen ist eine wichtige Ergänzung zur Perspektive der Opfer.

Zusammengefasst setzt sich die Erfahrung des institutionellen Rassismus aus drei Faktoren zusammen: dem subjektiven Rassismus der BehördenmitarbeiterInnen, der nicht notwendig, aber Folge der Anpassung an die institutionellen Verhältnisse ist; dem rassistisch diskriminierenden Charakter der Sondergesetze für AusländerInnen und AsylbewerberInnen und die bürokratische Form der Institutionen im Allgemeinen, von der auch Deutsche betroffen sind.

Bürokratie und soziale Verantwortungslosigkeit

Die bürokratische Organisationsform weist einige Aspekte auf, die die Ausführung rassistischer Bestimmungen möglich machen. Die Arbeitsteilung des institutionellen Handelns führt dazu, dass sich die einzelnen MitarbeiterInnen nur für ihre beschränkten Zuständigkeitsbereiche verantwortlich fühlen. Niemand übernimmt die persönliche Verantwortung für die Gesamtwirkung des Zusammenspiels der verschiedenen institutionellen AkteurInnen, niemand fühlt sich als der persönliche Verursacher des Leidens der von den Ausländer- und Asylgesetzen Betroffenen. Das wird deutlich am Beispiel des Umverteilungsantrages eines sudanesischen Asylbewerbers in Lauchhammer, der von mehreren Ausländerbehörden unterschiedlicher Landkreise abgelehnt wurde, nur deshalb, weil der Nachbar-Landkreis schon abgelehnt hatte und man selbst sich zu jenem konform verhalten wollte. Die Wirkung auf die Lebenssituation des Betroffenen war von den einzelnen BehördenmitarbeiterInnen weder beabsichtigt noch gewollt, es sei denn, diese hätten einen Genuss an seinem Leiden.

Die EntscheiderInnen über das Schicksal der Flüchtlinge verstehen sich meist als rechtsstaatlich Ausführende demokratisch legitimierter Gesetze, selbst ohne Hass auf AusländerInnen. Sich in einem solchen Rollen-Selbstverständnis bewegend zählt das überindividuelle Gesetz mehr als die konkreten Bedürfnisse der KlientInnen, die nur unter dem Aspekt der jeweiligen Gesetze wahrgenommen werden. Die erste Frage lautet: »Bin ich hier zuständig?« Sich in den Klienten hineinzuversetzen, würde den Kontrollblick aufweichen und relativieren und würde so einen reibungslosen Ablauf der Verwaltung stören.

Es sind im Wesentlichen folgende der Bürokratie geschuldete Faktoren, die den institutionellen Rassismus strukturieren und bei BehördenmitarbeiterInnen meist ein Unrechtsbewusstsein gar nicht erst entstehen lassen: Ein beschränkter Zuständigkeitsbereich verhindert Verantwortung für die Gesamtwirkung. Nur ideell und symbolisch übernimmt die Regierung die Verantwortung für die Folgen der Ausländergesetze. Die BehördenmitarbeiterInnen identifizieren sich mit der Macht der Institution. Sie fühlen sich durch demokratische Gesetzgebung und rechtsstaatliche Ausführung in ihrem Handeln legitimiert. Sie identifizieren sich mit den Kontroll-, Abschreckungs- und Abschiebungszielen der gesetzgebenden PolitikerInnen. Juristische Begründungsdiskurse lassen die Ausländergesetze als Forderungen der Vernunft erscheinen, als legitime Ausübung des Rechtes auf Selbsterhaltung des deutschen Staates. Schließlich wirkt die Macht der Routine des institutionellen Handelns, das an möglichst reibungslosem, rationalem Funktionieren interessiert ist.

Zusammenhänge

Einige Hinweise auf den Zusammenhang zwischen rechtsextremer Gewalt, dem subjektiven Rassismus Einzelner und dem institutionellem Rassismus ergeben sich aus der rekonstruierten Perspektive der Betroffenen. Er liegt in der gemeinsamen Wirkungsrichtung: dem Ausschluss von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, der Ausgrenzung aus der deutschen Gesellschaft, der Vertreibung. Wie aber entstehen die Feindbilder »Ausländer« und »Asylant«, um auf den Ausgangspunkt der Darstellung zurückzukommen, wie werden sie zumindest reproduziert?

Die konkrete Tatmotivation für einen rassistischen Überfall mag das Produkt einer langen Geschichte und heterogener Einflussfaktoren und Bedingungen sein, darunter die Eigendynamik einer neonazistischen Jugendkultur und -szene, ihrer ideologischen und gruppendynamischen Prozesse, der subjektive Rassismus der Eltern und des sozialen Umfelds und die rassistischen Diskurse von PolitikerInnen und Medien. Ein anderer Einflussfaktor ist jedoch der institutionelle Rassismus:

Das Migrationsregime drückt Flüchtlinge und MigrantInnen aus Ländern außerhalb der EU in die Kategorie »Asylbewerber«. Das Asylrecht als fast einziges Migrationstor setzt diese Kategorie der MigrantInnen dem Verdacht des Asylmissbrauchs aus. So kann Bundesinnenminister Schily feststellen, dass 97 % der Asylbewerber »asylunwürdige Wirtschaftsflüchtlinge « seien. Der Volksmund nennt das »Scheinasylanten«.

AusländerInnen werden nicht als gleichberechtigte Menschen wahrgenommen, weil sie nicht gleichberechtigt sind, weil sie weniger Rechte als Deutsche haben. Die Sondergesetze für AusländerInnen erzeugen bei Deutschen die Erwartung, dass AusländerInnen nicht dieselben Ansprüche wie Deutsche erheben dürfen. Tun sie es anscheinend doch, wird das als illegitime Anmaßung, als Verletzung der ethnischen Hierarchie wahrgenommen. Das löst Empörung und Aggression aus und nährt das Feindbild Ausländer – das Motiv der Angriffe.

Die Asylgesetze erzeugen ein Erscheinungbild von AsylbewerberInnen, das als Bestätigung rassistischer Feindbilder wahrgenommen wird. Sie werden zu einer Lebensweise gezwungen, in der sie von Sozialhilfe abhängig sind, nicht oder schlecht Deutsch sprechen, in abgelegenen Lagern konzentriert sind und außerdem noch Großeinkäufe im Supermarkt machen. Sie werden zu Anschauungsmaterial für das Stereotyp Sozialschmarotzer gemacht.

Folgende idealtypisch komprimierte Äußerungen des populären rassistischen Diskurses, die aus der Erinnerung an Gespräche in Schulen und Jugendclubs zusammengetragen sind, mögen das illustrieren: »Die schicken Adidas-Klamotten können die Asylanten unmöglich von ihrem bisschen Sozialhilfe gekauft haben. Die müssen kriminell sein. Die nehmen uns weg, was uns zusteht. Wir sollen die durchfüttern. Und dann sind die noch nicht mal dankbar, sondern laufen frech rum, wo bleibt denn da die Ordnung. Wir brauchen die nicht. Die sind zu nichts nutze. Liegen uns nur auf der Tasche. Arbeiten nicht, leisten nichts für ihr Geld, für die Sozialhilfe. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Drücken sich nur vor der Arbeitspflicht, sind Sozialschmarotzer. Denkt man als Deutscher an ganz Deutschland, dann stimmt es schon, dass die uns die Arbeitsplätze wegnehmen, da in Westdeutschland, wo die arbeiten.«

Ohne die Aufhebung der Sondergesetze für AusländerInnen kann es keine wirksame Bekämpfung der rechtsextremen Gewalt geben. Diese ist nicht Folge der Ausländergesetze, aber eine ihrer Reproduktionsbedingungen. Wer von rassistischer Gewalt spricht, darf von institutionellem Rassismus nicht schweigen.

Anmerkungen

1 »Ratlos in Rathenow«, Sendung des Magazins »Kontraste« am 9.3.2000.

2 Es ist besser, von Deutschen als von BürgerInnen zu sprechen, denn mit der Kategorie AusländerInnen korrespondiert die Kategorie Deutsche, der erst in einem weiteren Abstraktionsschritt bestimmte bürgerliche Rechte besitzt, die AusländerInnen und AsylbewerberInnen nicht besitzen.

3 Siehe:“Memoranden”

Quelle: Prozessbeobachtungsgruppe Guben (Hrsg.): Nur ein Toter mehr. Alltäglicher Rassismus in Deutschland und die Hetzjagd von Guben. Hamburg/Münster: Unrast 2001, S. 115-122

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