Rechtsextremismus in der Uckermark: »Wir gehen mit dem Thema offensiv um«

Marinus Schöberl
Marinus Schöberl

Am 19. April dieses Jahres schlagen zwei nach Angaben der Opferperspektive »offensichtlich rechts orientierte« junge Männer in der Kurstadt auf einen Punker ein. Eine Zivilstreife geht dazwischen und nimmt die Angreifer fest. Im Polizeibericht ist zu lesen, dass die Täter einen Schlagring bei sich trugen und wegen Körperverletzung sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz angezeigt worden sind. Dass es sich um einen politisch motivierten Angriff gehandelt haben könnte, erfährt die Öffentlichkeit aus dieser Quelle zunächst nicht.

Verschweigt die Polizei rechte Gewalttaten? Sandra Karstädt, Sprecherin der uckermärkischen Polizei, weist diese Vermutung energisch von sich. »Wir gehen sehr offensiv mit diesem Thema um«, sagt sie. Wenn klar sei, dass politische Motive hinter einer Straftat stecken, würde das auch veröffentlicht. Ein Beispiel: Als der stadtbekannte Neonazi Sebastian F., der auch am bestialischen Mord von Marinus Schöberl in Potzlow beteiligt war, zusammen mit etwa 20 weiteren Rechten am 17. November 2007 ein Konzert in der Maria-Magdalenen-Kirche stört, berichtet die Polizei zwei Tage später von vier Festnahmen und dem Tragen verfassungsfeindlicher Kennzeichen. Keinen Erfolg erzielt sie an diesem Abend bei der Fahndung nach einem Jugendlichen und einem Heranwachsenden, die laut Opferperspektive einen jungen Mann als Zecke beschimpft, ins Gesicht geschlagen und gegen seinen Oberkörper getreten haben sollen, als dieser am Boden lag. Später kann aber auch diese Straftat aufgeklärt werden.

»Oft ist zu Beginn der Ermittlungen nicht eindeutig klar, ob eine Straftat politisch motiviert war oder nicht«, erklärt die Polizeisprecherin, warum manche Meldungen aus ihrem Hause auf diesen Sachverhalt nicht hinweisen. Es habe auch Fälle gegeben, in denen sich der Anfangsverdacht schließlich nicht bestätigte.
Und es gäbe Gewalttaten, von denen selbst die Polizei erst Monate später erfahre. Das war offenbar so in dem Fall, als ein schwedischer Pub-Besucher mit schwarzer Hautfarbe im Juni 2007 von zwei Rechten rassistisch beschimpft und angegriffen worden war. Das Opfer erstattete keine Anzeige. Vier Monate später war der Schwede, der auch eine deutsche Staatsbürgerschaft haben soll, wieder im Templiner Pub. Vor der Kneipe rotteten sich laut Opferperspektive 30 bis 40 Rechte gegen ihn zusammen. Ein Zeuge informierte die Polizei über diesen Vorgang sowie über den Angriff im Juni. »Aber auch das nicht zeitnah, sondern erst Tage später nach dem Zwischenfall«, so Sandra Karstädt. Dass eine zunehmend gewaltbereite rechte Clique in der Stadt zum Problem geworden und mit Hilfe von Spezialkräften von der Polizei genauer ins Visier genommen worden ist, machte Templins Wachenleiter Harald Löschke im Juni dieses Jahres auf einer Veranstaltung des SPD-Ortsvereins öffentlich, der Uckermark Kurier berichtete. Löschke sprach von 28 politisch motivierten Straftaten allein in diesem Jahr.

Der Verein Opferperspektive registriert keine Propagandadelikte, sondern beschränkt sich auf Gewalttaten und Nötigungen, wie von seinem Vertreter Dominique John zu erfahren ist. »Für alle von der Opferperspektive benannten Straftaten haben wir Tatverdächtige ermittelt«, versichert Sandra Karstädt. Das brisante Thema werde weder gedeckelt noch auf die leichte Schulter genommen.

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