“Von Einzelfall kann man nicht sprechen”

Auch wenn die Hintergründe des Angriffs auf Ermyas M. noch der Aufklärung harren, halten Opferberater und Integrationsexperten aus Potsdam ein fremdenfeindliches Motiv für nicht erstaunlich. »Schwarze, ob Deutsche oder nicht, sind oft Opfer von Diskriminierung und Angriffen«, sagte Brandenburgs Vize-Ausländerbeauftragte Ines Schröder-Sprenger. »Der Alltagsrassismus ist da«, stellt sie fest.

Rechtsextremistische Angriffe seien dann doch recht häufig im Land,heißt es bei der Opferhilfe Brandenburg. Kay Wendel, der sich im Opferperspektive e.V. den Opfern rechter Gewalt widmet, sagte: »Von einem Einzelfall kann man wirklich nicht sprechen.« Sein Verein zähle jedes Jahr »Dutzende von fremdenfeindlichen Übergriffen«.

Allein in der als tolerant und weltoffen geltenden Hauptstadt Potsdam zählte die Opferhilfe im vergangenen Jahr 22 körperliche Übergriffe, die Rechten zugeschrieben werden. Opfer waren fünf Mal entweder Ausländer und fremdländisch aussehende Menschen, vor allem aber auch als links erkennbare Jugendliche.

Zwar sei es zum Glück nicht alltäglich, daß nach einem Angriff das Opfer wie Eremyas M. um sein Leben kämpfe. Aber erst Ende März wurden in Potsdam fünf junge Rechtsextreme zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.Sie hatten im Juli in der Innenstadt eine Straßenbahn per Notbremse gestoppt und einen Sprecher der lokalen Antifa und seinen Begleiter angegriffen und schwer verletzt. Die Attacke war der Höhepunkt eines gewalttätig geführten Krieges zwischen rechten und linken Jugendlichen in Potsdam. Nach Einschätzung Wendels klaffen in der Landeshauptstadt die »objektiven Angriffsstatistiken und das subjektive Lebensgefühl« auseinander. Was rechte Übergriffe angeht, sieht er die Stadt an der Spitze in Brandenburg.

Immer wieder komme es vor, daß die Polizei Angriffen auf fremdländisch aussehende Menschen einen rassistischen Hintergrund abspreche und von einer unpolitischen Schlägerei ausgehe, kritisiert Wendel. Inden wenigsten Fällen seien jedoch organisierte Mitglieder rechter Kameradschaften am Werk, sondern latent ausländerfeindliche Jugendliche: »Rassistische Taten sind meistens zufällige Begegnungen, wenn diese Leute auf der Straße ihrem Feindbild begegnen«, sagte Wendel.

Seine Organisation hat im laufenden Jahr bereits 22 rechte Übergriffe in Brandenburg dokumentiert. Sie reichen von der Attacke auf einen vietnamesischen Imbiß in Rheinsberg über Faustschläge gegen spanische Studenten in Cottbus oder Disko-Pöbeleien gegen Dunkelhäutige in Rathenow bis zu einem Überfall auf einen Jugendclub in Neu-Lübbenau.

Nach Angaben der Ausländerbeauftragten machen die 67 000 Nichtdeutschen in der Mark zwei Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Zuletzt sank die
Zahl der Ausländer leicht.

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