In den Tod getrieben

Farid Guendoul
Farid Guendoul

Es sind die Abendstunden des 12. Februar 1999. Ein Freitagabend wie jeder andere – noch. Einige Stunden später macht sich eine Gruppe rechter Gubener im Alter zwischen 17 und 21 Jahren auf die Jagd nach einem Schwarzen. Er soll einen ihrer Freunde, den stadtbekannten Neonazi Ronny P., bei einer Auseinandersetzung vor der Diskothek Danceclub verletzt haben. In Wahrheit war es zu einer von jungen Rechten provozierten Auseinandersetzung gekommen, bei der Ronny P. einen Schlag ins Gesicht erhielt. Aufgeputscht mit Alkohol und Musik der Nazi-Band »Landser«, laden sie Pflastersteine in ihre Autos und machen sich auf die Suche nach dem »N-Wort«, der ihren Kumpel »mit der Machete aufgeschlitzt« haben soll.

Unterwegs beschimpfen und bedrohen die rechten Jugendlichen unbeteiligte Passanten. In der Nähe der Diskothek in der Obersprucke stoßen sie auf drei BiPoC. Die Wagen bremsen scharf, die Meute springt heraus und stürzt sich auf die erschrockenen Geflüchteten. Diese laufen panisch zurück in Richtung Disco. Ihre Verfolger springen wieder in die Autos und schneiden ihnen den Weg ab. Der 28-jährige Farid Guendoul und Issaka K. rennen los in Richtung eines Häuserblocks, Khaled B. flieht in Richtung eines Parkplatzes.

Todesangst

Auch die Angreifer teilen sich auf und rennen hinter ihren Opfern her. Khaled B. wird auf dem Parkplatz niedergeschlagen und getreten, er fällt mit dem Kopf gegen ein Auto und wird bewusstlos. Die Täter lassen von ihm ab, weil sie denken, er sei tot. Farid Guendoul und Issaka K. erreichen keuchend und in Todesangst die Eingangstür der Hugo-Jentzsch-Straße 14. Farid Guendoul tritt in seiner Panik die gläserne Eingangstür des Plattenbauaufgangs ein. Die Scherben reißen die rechte Knieschlagader auf. Nach wenigen Minuten ist der junge Mann verblutet.

Die Nachricht von der Hetzjagd macht schnell die Runde. Am nächsten Tag findet eine Mahnwache am Tatort statt, an der hochrangige Vertreter der Landesregierung teilnehmen. Die »Antifa Guben« demonstriert. Insgesamt 500 Menschen nehmen an den beiden Veranstaltungen teil. Es folgen Trauer- und Gedenkfeiern sowie Benefizkonzerte.

Nach einer ersten Phase der Betroffenheit wollen viele Gubener bald wieder zur Tagesordnung übergehen. Zwei Wochen nach der Tat, berichtet der damalige Bürgermeister Gottfried Hain, habe er Schmähbriefe ohne Absender erhalten. Ob denn eine Mahnwache nicht genügt hätte und er sich nicht lieber um seine Arbeit kümmern wolle? Die Ereignisse würden doch nur von den Medien aufgebauscht – so der Tenor. Doch es bleibt nicht bei Worten: Bereits zwei Tage nach der Tat werden am Tatort Hakenkreuze und rechte Parolen gesprüht.

Martin Beck

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