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Was verstehen wir unter rechter Gewalt?

Rechte Gewalt beruht auf der falschen Annahme, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen weniger wert seien als andere. Betroffene sind etwa Geflüchtete, Migrant:innen, jüdische Menschen, muslimische Menschen, Sint:ezza und Rom:nja, politische Gegner:innen, Wohnungslose, Menschen mit Behinderung, LGBTQ+ Personen, Schwarze Menschen, People of Color, Punks, Linke und Antifaschist:innen und weitere Personengruppen, die in rechten Weltbildern abgewertet werden. Die Betroffenen werden nicht wegen ihrer Persönlichkeit oder ihres Verhaltens angegriffen. Für die Täter:innen ist die vermeintliche Zugehörigkeit zu einer oder mehrerer der abgewerteten Gruppen das Motiv für den Angriff. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Annahmen zutreffen oder nicht.

Rechte Gewalt hat viele Erscheinungsformen. Es kann sich um einen körperlichen Angriff, eine Bedrohung, Mobbing, Nötigung oder eine gezielte Sachbeschädigung handeln. Auch rechte Hetze und Anfeindungen im Netz gehören dazu. Hinzu kommen weitere Erfahrungen, die Betroffene als gewaltvoll erleben. Um eine Tat als rechte Gewalt zu bewerten, ist für uns die Wahrnehmung der Betroffenen zentral. Als Beratungsstelle unterstützen wir dabei, Situationen einzuordnen und das Erlebte zu verarbeiten, wir begleiten die weiteren Schritte und beraten zu möglichen Handlungsstrategien.

Ein rechter Angriff – was tun?

Ein rechter Angriff kommt für die Betroffenen meistens völlig überraschend. Viele Betroffene fühlen sich in der Situation und auch in der Zeit danach überfordert und wissen nicht, wie sie mit dem Geschehenen umgehen sollen. Wir haben daher an dieser Stelle einige Handlungsempfehlungen zusammengetragen. Wir erklären, was Sie tun können, wenn Sie selbst rechte Gewalt erleben – während eines Angriffs und danach. Ein weiterer Abschnitt richtet sich an Zeug:innen rechter Gewalttaten: Hier geben wir Hinweise dazu, wie Sie Betroffene unterstützen können.

Was kann ich während eines Angriffs tun?

 

Wenn Sie angegriffen werden, befinden Sie sich wahrscheinlich in einer psychischen Ausnahmesituation. Es ist trotzdem wichtig, möglichst ruhig zu bleiben und dem Gegenüber selbstsicher zu begegnen.

  • Sprechen Sie die Angreifenden mit lauten und kurzen Aussagen an: „Lassen Sie mich in Ruhe“ oder „Hören Sie auf“. Es ist wichtig, die Angreifenden zu siezen, damit Umstehende merken, dass es sich nicht um einen privaten Konflikt handelt.
  • Sprechen Sie konkrete Personen an, um Hilfe zu bekommen: „Sie mit der roten Jacke, ich werde angegriffen, rufen Sie die Polizei.“
  • Versuchen Sie, einen Sicherheitsabstand zu den Angreifenden zu halten.
  • Wenn Sie den Ort verlassen können, begeben Sie sich in die Nähe anderer Menschen oder gehen Sie zum nächsten belebten Ort, etwa in ein Restaurant oder ein Geschäft.
  • Wenn es die Situation erlaubt, rufen Sie selbst die Polizei und geben Sie an, wo und von wie vielen Personen Sie angegriffen werden.

Was kann ich nach einem Angriff tun?

 

  1. Sprechen Sie Zeug:innen der Tat an und notieren Sie sich ihre Kontaktdaten (Name, Adresse, Handynummer). Das ist für die Strafverfolgung der Täter:innen wichtig.
  2. Gehen Sie am besten direkt oder möglichst bald nach dem Angriff in ein Krankenhaus oder eine Arztpraxis und lassen Sie Ihre Verletzungen dokumentieren. Fragen Sie nach einem Attest.
  3. Machen Sie Fotos von Ihren Verletzungen und allen Sachschäden.
  4. Schreiben Sie möglichst kurz nach der Tat auf, was Ihnen passiert ist (Gedächtnisprotokoll). Gerichtsverfahren gegen die Täter:innen finden in der Regel erst Monate oder Jahre später statt, sodass eine Gedächtnisstütze später sehr hilfreich ist. Schreiben Sie nur das auf, was Sie selbst noch in Erinnerung haben. Wichtig: Das Gedächtnisprotokoll ist nur für Sie und sollte nur an vertrauenswürdige Personen (Anwalt:Anwältin, Beratungsstellen) weitergegeben werden. Folgende Fragen können Ihnen beim Schreiben als Orientierung dienen:
    Ort und Datum: Wann und wo wurden Sie angegriffen?
    Ablauf des Angriffs: Was ist genau passiert? Wie genau wurden Sie angegriffen? Waren die Täter:innen bewaffnet?
    Beschreibung der Täter:innen: Wer hat Sie angegriffen? Wie sahen die Angreifenden aus? Haben die Täter:innen etwas gesagt? Ist Ihnen etwas Besonderes aufgefallen?
    Verletzungen: Welche Verletzungen haben Sie erlitten?
    Umfeld: Wer war noch da? Gab es Zeug:innen? Wie haben die Umstehenden reagiert?
  5. Wenn die Polizei nicht schon während des Angriffs vor Ort war, können Sie sich überlegen, ob Sie den rechten Angriff bei der Polizei anzeigen möchten. Wenn Sie sich dafür entscheiden, können Sie den rechten Angriff entweder bei der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringen. Lassen Sie sich von der Polizei eine Bestätigung der Anzeige und ein Aktenzeichen geben. Mit dem Aktenzeichen können Sie bei der Polizei immer wieder den Stand der Ermittlungen erfragen.
  6. Bleiben Sie nicht allein. Sprechen Sie mit Angehörigen und Freund:innen über den Angriff und kontaktieren Sie die Opferperspektive. Wir unterstützen Sie bei allen notwendigen Schritten.
    Weiter unten finden Sie Hinweise zu den psychischen Folgen eines rechten Angriffs sowie einige Handlungsempfehlungen

Was kann ich tun, wenn ich Zeug:in eines rechten Angriffs werde?

 

Als Zeug:in eines rechten, rassistischen oder antisemitischen Angriffs ist es wichtig, die Betroffenen nicht alleine zu lassen und sie zu unterstützen. Für Betroffene ist es oftmals fast genauso schlimm wie der Angriff selbst, dass niemand eingegriffen oder Hilfe angeboten hat. Hier sind ein paar einfache Tipps, wie Sie Betroffenen in einer solchen Situation zur Seite stehen können.

Machen Sie sich ein Bild von der Situation und holen Sie Hilfe:

  • Selbstschutz beachten: In manchen Fällen ist es wichtig, sofort einzugreifen. Ansonsten gilt es, die Situation zunächst kurz zu beobachten, um die Lage einzuschätzen und sich nicht selbst zu gefährden. Wie viele Personen sind betroffen? Zu wievielt sind die Täter:innen? Sind sie bewaffnet?
  • Sprechen Sie umstehende Personen an: z. B. „Kommen Sie mit und helfen Sie mir, einzuschreiten“ oder „Rufen Sie bitte die Polizei“.
  • Rufen Sie ansonsten selbst unter der kostenlosen Nummer 110 die Polizei. Nennen Sie Ihren Namen, Ihren Standort und was passiert.
  • Sprechen Sie Verantwortliche vor Ort an, z.B. das Fahrpersonal in Bus oder Straßenbahn: „Können Sie bitte sofort anhalten/mitkommen, eine Person wird angegriffen.“
  • Wenn Sie sich dadurch nicht selbst gefährden, machen sie Fotos oder Videoaufnahmen der Täter:innen.

Bieten Sie Ihre Hilfe an:

  • Sprechen Sie die betroffene Person an und fragen Sie, was Sie für sie tun können.
  • Fordern Sie die Täter:innen von einem Sicherheitsabstand aus ruhig, aber bestimmt auf, die betroffene Person in Ruhe zu lassen: „Hören Sie damit auf! Wir haben die Polizei gerufen.“
  • Bringen Sie die betroffene Person in Sicherheit und bieten Sie weitere Hilfe an. Wenn die Person verletzt ist, bieten Sie an, sie ins Krankenhaus zu begleiten oder Angehörige anzurufen.
  • Stellen Sie sich nach der Tat als Zeug:in zur Verfügung. Das kann für die Strafverfolgung der Täter:innen von großer Wichtigkeit sein. Schreiben Sie hierfür ein Gedächtnisprotokoll.
  • Kontaktieren Sie die Opferperspektive. Wir beraten auch Angehörige und Freund:innen von Betroffenen sowie Zeug:innen eines rechten Angriffs.

Psychische Folgen eines rechten Angriffs

 

Ein rechter Angriff ist eine einschneidende Erfahrung für Betroffene und kann weitreichende Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit haben.

Möglicherweise müssen Sie danach ständig an den Vorfall denken, haben Angst, ihre Wohnung zu verlassen oder meiden bestimmte Orte und Situationen, die mit dem Erlebten zu tun haben. Vielleicht haben Sie mit Schlafstörungen und Albträumen zu kämpfen und/oder merken, dass Sie reizbarer sind als zuvor oder sich stark zurückziehen. Viele Betroffene quält die Frage, warum es zu dem Angriff gekommen ist und ob er hätte verhindert werden können. Wichtig ist, dass Sie mit Ihren Ängsten und Ihren Gefühlen nicht allein bleiben. Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen und Freund:innen darüber, wie es Ihnen geht.
Die hier genannten psychischen Symptome sind zunächst einmal vollkommen normale Reaktionen auf einen gewalttätigen Vorfall und vergehen zumeist mit der Zeit. Wenn sich Ihr gesundheitlicher Zustand allerdings über mehrere Wochen nicht verbessert oder sogar verschlechtert, sollten Sie sich professionelle Hilfe suchen.

Weitere Hinweise zum Umgang mit traumatischen Erfahrungen finden Sie hier:
Informationen über Handlungsmöglichkeiten nach traumatischen Erfahrungen (mehrsprachig)

Sie müssen mit den Konsequenzen eines rechten Angriffs nicht alleine bleiben. Kontaktieren Sie unsere Berater:innen oder nehmen Sie über unsere Onlineberatung Kontakt zu uns auf.

Wir können mit Ihnen über die Erlebnisse sprechen, Sie zu Ihrer gesundheitlichen Situation sowie zu möglichen juristischen Schritten beraten. Bei Bedarf helfen wir Ihnen auch gerne bei der Suche nach einem geeigneten Therapieplatz oder anderen Unterstützungsangeboten. Unsere Beratung ist freiwillig, vertraulich und kostenlos.

Diese Informationen finden Sie außerdem auch auf den Sprachen Arabisch, Englisch, Farsi, Französisch und Russisch in den Story-Highlights auf unserem Instagram-Account.

Auf der Seite Toolbox-gegen-rechts.de werden weitere wichtige Fragen beantwortet, z. B.:
• Pros und Kontras einer Anzeige
• Was tun bei einer Vorladung?
• Welche Rechte habe ich als betroffene Person oder als Zeug:in rechter Gewalt?


Unser Beratungsangebot

Wir unterstützen Sie

Wir beraten und begleiten Betroffene, deren Angehörige und Freund:innen sowie Zeug:innen rechtsmotivierter Angriffe. Wenn Sie oder Menschen in Ihrem Umfeld rassistisch, antisemitisch oder aus anderen rechten Motiven beleidigt, bedroht oder angegriffen werden, helfen wir Ihnen. Auch Jugendliche können sich an uns wenden – dafür ist kein Einverständnis der Erziehungsberechtigten notwendig.

Wie genau unsere Berater:innen Sie unterstützen, entscheiden Sie. Die Beratung kann einmalig sein oder zu einer längerfristigen Begleitung werden. Ob Sie eine Anzeige erstatten möchten oder nicht, spielt für die Beratung keine Rolle.

Ihr Recht

Wir erklären Ihnen den Ablauf eines Strafverfahrens, begleiten Sie auf Wunsch zur Polizei und vor Gericht. Wir helfen Ihnen, einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zu finden.

Ihre soziale Situation

Wir klären mit Ihnen Ihre soziale Situation. Wir helfen Ihnen, Entschädigung oder Schmerzensgeld zu erhalten und beraten Sie bei Versicherungs- oder Versorgungsfragen.

Ihre Gesundheit

Wenn Sie verletzt worden sind, unterstützen wir Sie bei der Suche nach ärztlicher Behandlung. Sie können mit uns über Ihre Ängste sprechen. Wenn Sie psychotherapeutische Hilfe benötigen, helfen wir bei der Suche nach einem passenden therapeutischen Angebot.

Ihr gesellschaftliches Umfeld

Wenn Sie wollen, dass die Gefahr rechter Gewalt in Ihrem Umfeld oder öffentlich diskutiert wird, können wir den Kontakt zu Initiativen, Organisationen und Medien herstellen.

Wir beraten Sie

… vor Ort: Wir kommen zu Ihnen, an einen Ort im Land Brandenburg, den Sie bestimmen, oder wir treffen uns in unseren Büroräumen.
… kostenlos: Es entstehen Ihnen keine Kosten oder Verpflichtungen.
… mehrsprachig: Wenn Sie es für sinnvoll halten, bringen wir eine:n Dolmetscher:in mit.
… freiwillig: Sie entscheiden, ob Sie beraten werden wollen und welche Schritte Sie gehen möchten. Wir unterstützen Sie dabei.
… vertraulich: Alles, was Sie mit uns besprechen, wird vertraulich behandelt. Ohne Ihre Zustimmung geben wir keine Informationen an Dritte weiter.
… unabhängig: Unser Beratungsangebot ist unabhängig von allen Behörden. Eine Anzeige bei der Polizei ist keine Voraussetzung für eine Beratung bei uns.
… parteilich: Wir orientieren uns an Ihren Bedürfnissen. Wir setzen uns für Ihre Interessen ein.

Kontakt zu unseren Berater:innen


Weiterführendes Material
Rechte Angriffe im Netz
In der Publikation wird unter anderem beschrieben, wie man sich vor rechten, rassistischen und antisemitischen Bedrohung im Netz schützen kann, wie Betroffene mit solchen Vorfällen umgehen können und welche juristischen Optionen es gibt.
Perspektiven nach einem rechten oder rassistischen Angriff
Der Ratgeber soll Betroffenen, ihren Angehörigen und Zeug:innen einen Leitfaden für wichtige Fragen geben. Im Umgang mit der Polizei sind Betroffene mit vielen Fragen konfrontiert und müssen Entscheidungen treffen: Soll ich Anzeige erstatten? Was passiert nach einer Strafanzeige? Benötige ich einen Anwalt oder eine Anwältin? Was ist der Unterschied zwischen einem Strafprozess und einer Zivilklage?
Hinschauen und Handeln
Der Flyer enthält Tipps für Betroffene und Zeug:innen von rechter Gewalt, wie in einer akuten Situation reagiert werden kann.

Qualitätsstandards der Beratungsstellen

Die aktuellen Qualitätsstandards können auf der Webseite (DE, EN) des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) e.V. nachgelesen oder als PDF (DE) herunter geladen werden.