Potsdam: Eskalation rechter Gewalt

Am 13. Juni 2005 wurden in Potsdam zwei Neonazis verurteilt, weil sie sich in der Neujahrsnacht 2003 an einem Angriff auf das Jugendkulturzentrum Chamäleon beteiligt hatten. Während des Prozesses wurden ZeugInnen im Gerichtsgebäude durch Rechte bedroht und angerempelt. Die sogenannte Anti-Antifa hatte zuvor dazu aufgerufen, Linke auf dem Weg ins Gericht anzugreifen. Julia S., die Vorsitzende von Chamäleon e.V., sagte unter den Augen der Rechten als Belastungszeugin aus.

Eine Woche später wurde die 22-Jährige verhaftet. Sie soll zu einer Gruppe von fünf Personen gehört haben, die den Rechten Benjamin Ö. (16) überfielen; dabei soll ein »Teleskopschlagstock« verwendet worden sein. Julia S. sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Sie habe den Jugendlichen ermorden wollen, so die Staatsanwaltschaft. Dieser trug eine Kopfverletzung davon, die ambulant behandelt wurde. Zwei Wochen später war Benjamin Ö. dabei, als Rechte einem Linken gegen den Kopf traten und mit einer abgebrochenen Flasche in Gesicht und Hals schnitten.

Die Polizei wertete die Vorgänge als »Gewalteskalation zwischen Links und Rechts«. Allerdings stehen dem Angriff gegen Benjamin Ö. bislang 18 rechte Gewalttaten in diesem Jahr in Potsdam gegenüber – so viele wie in keinem der Jahre zuvor. Antifa-Gruppen kritisieren, dass das Engagement gegen Rechts mit der Gewalt von Neonazis auf eine Stufe gestellt werde. Der Justiz werfen sie vor, den Überfall auf den Rechten zu einem Mordversuch aufzubauschen.

Zahlreiche Potsdamer Vereine, unter ihnen die Opferperspektive, sowie Hochschulprofessoren und Landtagsabgeordnete teilen diese Kritik. In einem offenen Brief, den die Mutter von Julia S. am 5. Oktober dem Oberbürgermeister übergab, fordern sie, den Vorwurf des versuchten Mordes fallen zu lassen und die Chamäleon-Vorsitzende aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

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