Schlagzeilen für Täter, Opfer werden vergessen

In Deutschland gewinnen Rechtsextreme immer mehr Boden. Aber vor Ort arbeiten auch viele Vereine und Organisationen gegen Rechts – ND stellt Initiativen vor.

Der Umgang mit den Opfern rechter Gewalt in Deutschland hat Kai Wendel schon vor Jahren irritiert. Immer wieder wurden rechtsextreme Vorfälle nur aus der Täterperspektive betrachtet. In Schwedt schlugen Nazis 1998 einen Lehrer wegen seines Engagements gegen Rechtsextremismus zusammen. Die Reaktion des Lehrerkollegiums war eindeutig: »Selber schuld, was engagiert er sich so gegen die Rechten?« Im Krankenhaus hat ihn niemand besucht. Ein Ereignis, das sich einordnete in einen allgemeinen Trend und das Kai Wendel keine Ruhe ließ. Mit Freunden gründete er 1998 den Verein Opferperspektive.

Ziele des Vereins sind individuelle Unterstützung der Opfer durch die Vereinsmitglieder selbst, praktische Unterstützung von Opfern unter Einbeziehung von lokalen Gruppen vor Ort und das Anstoßen von Diskussionen in den Kommunen. Der Verein vermittelt Trauma-Therapien, gibt Unterstützung in juristischen Fragen, begleitet Gerichtsprozesse und versucht durch kritische Öffentlichkeitsarbeit, auf Fehler von Behörden und Ämtern hinzuweisen. Es geht allerdings nicht nur um Nachsorgen, mit gezielten Aktionen soll auch die öffentliche Meinung verändert werden. Der so genannte »Aufstand der Anständigen« richte sich oft nur gegen den Rassismus im Alltag und blende den Rassismus der Institutionen fast völlig aus.

Mit der Zeit sei es gelungen, so Kai Wendel, dass die Opfer rechter Gewalt wieder im Mittelpunkt stünden. Die Solidarisierung mit den Tätern lasse nach. Der Verein versucht, den Opfern so zu helfen, dass sie nicht mehr gezwungen sind, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Erst dann sei es den Betroffenen möglich, sich vom Opferstatus zu lösen.

Ein Erfolg des Vereins ist die lokale Vernetzung. In Cottbus entstand eine Anlaufstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt, die sich um Südbrandenburg kümmert. Auch in Bernau, Strausberg und Frankfurt (Oder) arbeiten inzwischen Opferberatungsstellen. Vor kurzem hat sich in Ostsachsen ein Verein Opferperspektive gegründet, dessen Entstehung auf eine Veranstaltung des Potsdamer Vereins in Görlitz zurückgeht. Auch in Rostock und Thüringen gibt es schon erste Ansätze, ähnliche Initiativen aufzubauen. Diese vielen kleinen Gruppen sind Kai Wendel wichtiger als die Größe des eigenen Vereins. Opferperspektive hat nur fünf Mitglieder.

Finanziell hatte der Verein zu Beginn große Sorgen, einmal stand sogar das gesamte Projekt auf der finanziellen Kippe. Zwar bekommen sie heute keinerlei öffentliche Förderung mehr, aber eine Aktion der Illustrierten »Stern« hat zu einer Spende von 100 000 Mark für die Initiative geführt. Die hat die Arbeit nun erst einmal gesichert. Sogar zwei feste Stellen sind seitdem möglich.

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