Vor 20 Jahren starb Andrzej Fratczak. 27 Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg seit 1990

Am 7. Oktober 1990 starb Andrzej Fratczak. Vor einer Diskothek in Lübbenau traten drei junge Deutsche den Polen zu Tode. Andrzej Fratczak führt die Liste der mindestens 137 Menschen an, die nach aktuellen Recherchen der Zeit und des Tagesspiegels seit 1990 durch politisch rechts motivierte Gewalttaten in Deutschland ihr Leben verloren. Die Bundesregierung spricht lediglich von 47 Todesopfern.Am 16. September veröffentlichten der Berliner Tagespiegel und die Wochenzeitung Die Zeit ihre aktuellen Recherchen zur tödlichen Dimension rechter Gewalt in Deutschland. Die Veröffentlichung zeigt: Brandenburg ist das Bundesland mit den meisten Todesopfern seit der Vereinigung.

Mindestens 27 Menschen kamen in der Mark durch rechte Schläger ums Leben. Unter den 27 Todesopfern aus Brandenburg befindet sich z. B. Amadeu Antonio. Eine Horde rechter Jugendlicher, die Jagd auf Schwarze machte, griff ihn am 25. November 1990 in Eberswalde an und schlug ihn ins Koma. Er starb elf Tage später. Oder Klaus-Dieter Harms, den am 2. August 2001 zwei Rechte in seiner Wohnung in Wittenberge zu Tode prügelten, weil sie ihn als »minderwertig« ansahen. Das vorerst letzte Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg war der alkoholkranke Bernd Köhler. In Templin wurde er in der Nacht auf den 22. Juli 2008 von zwei Rechten totgeprügelt.

Von der Bundesregierung offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt, sind lediglich neun Todesopfer aus Brandenburg. Der großen Mehrheit (18 Toten) wird dieser Status nicht zuerkannt. So etwa Mathias S. Der 39-Jährige wurde am 23. September 1997 von einem Nazi-Skin in Cottbus erstochen, weil er sich gegen die Gesinnung des 19-Jährigen geäußert hatte. Aber auch Kajrat Batesov, der zusammen mit einem Freund von mehreren jungen Männern getreten und verprügelt wurde. Anschließend wurde ihm ein 18 Kilogramm schwerer Stein auf die Brust geworfen. Am 23. Mai 2002 erlag er seinen Verletzungen. Wenn ihm auch die offizielle Anerkennung versagt wird, erinnern zumindest Freund jährlich an Falko Lüdtke. Der 22-Jährige wurde am 31. Mai 2000 in Eberswalde von einem Neonazi vor ein Taxi gestoßen und überfahren.

Nicht nur für Angehörige und FreundInnen ist eine offizielle Anerkennung als Opfer rechter Gewalt bei der Bewältigung der Tat von großer Bedeutung. Sie ist auch ein deutliches Zeichen gegenüber den TäterInnen und ihrer menschenverachtenden Ideologie.

Umso unverständlicher, dass der Tod von Emil Wendtland seit 1999 nicht mehr aufgeführt wird, nachdem er 1993 von der Bundesregierung als rechte Gewalt gewertet wurde. Drei Nazi-Skins schlugen den 50-jährigen Obdachlosen am 1. Juli 1992 in Neuruppin zusammen und erstachen ihn. Sie hatten sich zum »Penner klatschen« verabredet.

2001 wurde ein neues Erfassungssystem rechter Straf- und Gewalttaten eingeführt. Es ist erheblich weiter gefasst. Die Behörden sprechen jetzt von »politisch rechts motivierter Kriminalität« (PMK rechts). Dabei werden Delikte erfasst, bei der »die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes beziehungsweise ihres gesellschaftlichen Status richtet«. Die mit der Reform der Erfassungskritierien verbundenen Hoffnungen, dass sich die Löcher in der Statistik schließen, haben sich nicht erfüllt. Nicht anders können die Ergebnisse der aktuellen Recherche von Tagespiegel und Zeit gewertet werden.

Informationen Julia Stegmann
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Quelle:OPP

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