Es geht auch anders e.V. in Finsterwalde

Gegen den Strom
Gegen den Strom

In Finsterwalde, einer Stadt mit 18.500 EinwohnerInnen im Landkreis Elbe-Elster, hat es sich das kommunale Ordnungsamt zur Aufgabe gemacht, die Lebensweise von Jugendlichen, vorwiegend aus der alternativen und linken Szene, zu kontrollieren. Die bizarren Praktiken beschäftigten 2006 sogar Landtag und Landesregierung. Auf eine Kleine Anfrage der Finsterwalder Landtagsabgeordneten Carolin Steinmetzer (Linkspartei) hin rügte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) die Behörde. Der Auslöser: Das Ordnungsamt hatte im November 2005 am Janusz Korczak-Gymnasium mit Amtshilfe der Polizei eine Razzia durchgeführt und die Taschen von 450 SchülerInnen nach Zigaretten und Alkohol durchsucht; allerdings ohne Ergebnis.

Es fing damit an, dass Freunde, die sich aus der Schulzeit kannten und alle eine Wohnung suchten, sich zusammen taten. Hier haben wir billige Mietverträge gekriegt. Zu Spitzenzeiten waren hier zwölf Jugendliche, die alle links oder alternativ unterwegs waren. 2001 war dann der Überfall. Ich wohnte damals nicht in der WG, sondern im Nachbarhaus. Da hatte ich ein Plakat von der PDS im Fenster hängen. Die Nazis wollten eigentlich ins Haus, haben sich aber wegen des Plakats geirrt. Die sind statt dessen mit 20 Maskierten bei mir rein und haben alles auseinander genommen. Gleich einen oder eineinhalb Tage später gab es eine Spontandemo mit 200 Leuten und eine Woche später eine große mit dem DGB mit ungefähr tausend Teilnehmern.

Im Anschluss ist dann das Bürgerbündnis für Toleranz und Menschlichkeit Finsterwalde entstanden. Das hat sich aber ziemlich schnell wieder verlaufen. Zu Spitzenzeiten waren das so 50 Leute. Da waren welche, die nur ihr Gewissen reinwaschen wollten, aber es waren auch ein paar fitte Leute, also Anwälte, PDS, SPD und so dabei. Das Ordnungsamt hat auch an den Treffen teilgenommen, wobei die das Bündnis eigentlich nur dazu genutzt haben, zu horchen, wie die Erwachsenen gegenüber den Jugendlichen eingestellt sind. Der Ordnungsamtsleiter ist dann auch kurz vor dem Ende raus geflogen. Es wurde fast einstimmig beschlossen, dass er doch bitte gehen möge, weil er alles nur kaputt mache.

Wir haben mit regelmäßigen Hoffesten angefangen, um unsere Subkultur zu präsentieren. Durch die rechten Vorfälle ist uns bewusst geworden, dass das sein muss. Wir haben uns bald eine Halle gesucht, wo wir auch Konzerte machen können. Das war eigentlich eine Ruine. Wir haben da einfach eine Bar eingezogen und eine Bühne. Damals fing der Ordnungsamtsleiter an, uns irgendwelche Auflagen zu erteilen, dass bestimmte Personen nicht rein dürften, und so weiter … Die hatten gehört, dass da immer laute Musik ist, und Hunde. Das war der Stadt ein Dorn im Auge.

Eigentlich wollten wir schon damals einen Verein gründen. Wir hatten eine große Versammlung, aber keiner hatte einen richtigen Plan, wie das funktioniert. 2003 lief das dann etwas organisierter. Der Auslöser war, dass die Stadt das ganze Objekt gekauft hat. Da haben wir Es geht auch anders e.V. gegründet. Danach hat uns die Stadt anerkannt. Aber dann meinten sie, dass das Haus weg müsse, und haben uns Ersatzobjekte angeboten, unter anderem das Haus in der Leipziger Straße.

Wir haben dann zwei Konzerte angemeldet, die wurden aber wieder mit den abenteuerlichsten Auflagen versehen: dass keine Leute unter 16 Jahren rein dürften, dass wir nur Freunde und Bekannte des Vereins rein lassen dürften, dass nichts ausgeschenkt werden dürfe … Bei jedem Konzert mussten neue Ordner gestellt werden. Die Namen mussten immer vorher eingereicht werden, und die wurden dann beim nächsten Mal ohne Begründung abgelehnt. Nach dem ersten Konzert wurden wir gleich zu einem Auswertungsgespräch eingeladen, wie denn die Veranstaltung abgelaufen sei und so. Der Ordnungsamtsleiter kam dann gleich mit zwei Polizisten, weil in der Stadt an dem Wochenende Graffiti aufgetaucht waren. Das waren so Hip Hop-Graffiti. Am nächsten Tag stand in der Zeitung, dass der Verein dafür verantwortlich sei. Der Leiter vom Ordnungsamt hat uns Fotos von Leuten vorgelegt und gefragt, was wir am Wochenende gemacht hätten und für wen wir uns verbürgen könnten.

Vor drei Jahren hat sich dann die Antifa gegründet. Ich würde sagen, dass das für uns eine Erleichterung war. Ganz einfach, weil man gesehen hat, dass da noch eine andere Gruppe ist, die ungefähr die gleichen Ziele hat. 2004 war dann im August die Antifa-Demo. Da haben wir gesehen, dass wir etwas zusammen machen können. Es kamen danach auch Anrufe von Erwachsenen und Jugendlichen, die sich sonst eigentlich nicht als Linke bezeichnen würden.

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