Antimuslimischer Rassismus: Bedrohung durch Schweinekopf


Interview mit A. aus Mittenwalde

Opferperspektive: Am 31. Juli bist du mit deinem Mann und deinen Kindern von Neukölln zu eurer neu erworbenen Datsche nach Mittenwalde gefahren, als ihr vor dem Gartentor einen Schweinekopf vorgefunden habt. Woran erinnerst du dich?

A.: Mein Mann ist mit den Kindern vorgefahren mit unserem Auto und ich bin mit seiner Schwester im Auto gefahren. Als wir ankamen, kam er direkt zum Fenster und meinte: „Da ist ein Schweinekopf“. Dann bin ich direkt ausgestiegen mit Herzrasen, weil meine Kinder im Auto waren. Ich habe auch nicht richtig hin geguckt, weil es mir einfach zu eklig war und dann war ich in Panik, weil ich nicht mehr wusste, was ich machen soll. Das war alles so schrecklich für mich. Ich bin erst mal natürlich zu meinen Kindern gegangen und meine Tochter meinte, dass sie es schon gesehen hat. Sie hat geweint und sie hat nur gesagt: „Wer war das?“ und „Ist das ein echtes Schwein?“. Ich habe ihr gesagt, dass es kein echtes sei, aber sie hat mir natürlich nicht geglaubt. Mein ältester Sohn ist 12 und er hat eine geistige Behinderung und konnte das nicht verarbeiten. Das war das schlimmste für mich. Er saß im Auto mit den Händen im Gesicht und hat gefragt: „Was ist da?“ und wusste nicht, was er machen soll. Er hat mich die ganze Zeit umarmt und ich ihn auch, weil ich ihm einfach ein bisschen die Angst nehmen wollte, was ich aber nicht konnte, das ging einfach nicht.

“Ich habe nicht richtig hin geguckt,
weil es mir einfach zu eklig war und dann
war ich in Panik, weil ich nicht mehr wusste,
was ich machen soll.”

Opferperspektive: Was habt ihr im Anschluss gemacht?

A.: Ich war total durch den Wind erst mal, aber habe dann die Polizei angerufen. Ich hab dem Beamten gesagt, dass wir Muslime sind und er nur: „Okay, dann haben wir es“. Das war ja auch der Tag, an dem wir Opferfest hatten. Er sagte, er würde jetzt die Polizei zu uns schicken. Dann kamen Nachbarn und ich habe sie gefragt, ob sie jemanden gesehen hätten oder ob irgendwas komisch war heute, was sie aber verneinten. Wir selber sind ja erst ganz spät hingefahren, weil mein Mann arbeitet.

Opferperspektive: Wie habt ihr die Kommunikation mit der Polizei vor Ort empfunden? Was hat die Polizei gemacht?

A.: Die zwei Beamten, die kamen, die waren ja der Knaller. Ich habe sie gefragt, was da jetzt gemacht wird und sie haben mir gesagt, das sei ja keine Straftat. Da dachte ich mir, was denn noch passieren muss, damit es als Straftat zählt. Sie haben Bilder von dem Schweinekopf gemacht, sie haben meine Daten aufgenommen und mehr auch nicht. Als ich sie gefragt habe, wer denn jetzt dieses Schwein mitnimmt, diesen Satz werde ich nie in meinem Leben vergessen können: „So was können wir nicht gebrauchen“. Unser Nachbar stand auch noch mit uns da und der meinte, er würde uns dabei unterstützen und uns helfen, den Schweinekopf zu entsorgen. Die Nachbarn waren wirklich sehr lieb und nett und haben uns alle unterstützt. Die Beamten sind dann wieder weggefahren. Sie haben nicht gesagt, dass sie eine Anzeige machen werden oder sonst irgendwas unternehmen.

“Ich habe [die Polizei] gefragt, was da jetzt gemacht wird
und sie haben mir gesagt, das sei ja keine Straftat.
Da dachte ich mir, was denn noch passieren
muss, damit es als Straftat zählt.”

Opferperspektive: Haben sie nicht gefragt, ob ihr Anzeige erstatten wollt?

A.: Nein. Nichts, gar nichts. Die haben nur gesagt, das sei keine Straftat und mehr auch nicht. Meine Kinder haben mich gefragt, was die Polizei jetzt gemacht hat und ich habe gesagt: “Die haben nichts gemacht”. Ich kann meine Kinder nicht anlügen, das geht nicht. Dann hatten wir einen Termin im Oktober.

Opferperspektive: Was war das für ein Termin?

A.: Das war eine Zeugenaussage. Unser Berater von der Opferperspektive ist auch mitgekommen. Das tat gut, dass er mitgekommen ist, das hat uns wirklich geholfen, da wir das Gefühl hatten, dass die Beamtin aufpasst, wie sie mit uns spricht. Weil da jemand saß, der die Gesetze und alles kennt. Mein Mann hat sie gefragt, ob das eine Straftat sei. Dann hat sie erst mal versucht ein bisschen um den heißen Brei zu reden, aber als mein Mann nochmal nachgehakt hat, hat sie gesagt „Ja, das ist eine Straftat“. Eigentlich ist das doch logisch. Sie hat sich auch entschuldigt bei uns, dafür wie die Beamten sich verhalten haben.

Sie hat gesagt, dass die Polizisten eine Anzeige gemacht haben. Ich meinte zu ihr, dass ich davon nichts weiß und auch keinen Brief oder sonst irgendetwas bekommen habe. Die Polizei hat nur Bilder gemacht und gesagt, so was könnten sie nicht gebrauchen. Da habe ich wirklich mehr erwartet. Dass die irgendwas mitnehmen. Der Kopf ist ja ein Beweismittel, eventuell mit Fingerabdrücken. Und wo kommt der her, gibt es einen Bauernhof in der Nähe, wer kann Schweine schlachten? Das müssten die eigentlich in Bewegung setzen. Dass sie nur sagen, dass sie Anzeige erstattet haben, reicht nicht.

Opferperspektive: Habt ihr den Schweinekopf als etwas Bedrohliches wahrgenommen?

A.: Ja, natürlich! Das ist so eine Herzlich-Willkommen-Botschaft: „Hier könnt ihr euer Opferfest feiern!“ So gut kennen sie sich ja wohl aus, dass sie wissen dass beim Opferfest immer etwas geschlachtet wird. Auch wenn es kein Schwein wäre, sondern eine Kuh oder ein Schaf oder sonst irgendwas, hätte ich mich auch angegriffen gefühlt.

Opferperspektive: Hast du nach dem Vorfall Veränderungen bei dir oder deiner Familie bemerkt?

A.: Ich selber hatte keine Angst, weil diese Menschen für mich einfach nur feige und herzlos sind. Die haben selber Angst. Die Nacht war schlimm für mich, weil ich drei Kinder im Haus habe. Den Kindern ging es gar nicht gut. Meine jüngste Tochter ist sechs, die hat sich auch in dem Moment eingepullert, das macht sie erst seit Kurzem nicht mehr. Die Kinder haben immer gesagt: „Hier gibt es böse Menschen”, “Hier wollen wir nicht mehr hin“. Immer wieder diese Sätze: „Was haben wir denn gemacht?“. Meine Kinder hatten das Gefühl, dass sie irgendetwas falsches gemacht haben, dass jemand uns so was antut. Wenn wir jetzt in den Garten fahren ist das für meine Kinder einfach doof. Die wollen da nicht mehr hin.

Opferperspektive: Gab es weitere Erlebnisse, die dazu beigetragen haben, dass ihr euch in Brandenburg nicht wohl fühlt?

A.: Wir haben natürlich jetzt eine Kamera am Haus installiert und wenn jemand da vorbeigeht oder richtig nah an den Zaun rangeht, dann löst die Kamera einen Alarm aus, das ist mit dem Handy verbunden. Vor vier Wochen stand da jemand und hat versucht die Tür aufzumachen. Und hat tatsächlich so lange gezogen bis die Tür aufgegangen ist.

Opferperspektive: Das war nach der Tat mit dem Schweinekopf?

A.: Ja das war nach der Tat. Und mein Mann kann das Handy so mit der Kamera verbinden, dass man ihn dort sprechen hört und dann hat er gesagt: „Du gehst jetzt da weg!“. Dann ist er auch weggegangen und als wir eine Woche später wieder hingefahren sind, haben wir gesehen, dass wirklich die Tür auf war. Wir haben natürlich sofort ein Foto davon gemacht und das auch gleich angezeigt. Ich hab auch in der Nachbarschaft nachgefragt ob jemand diese Person kennt, weil wir ja auch Bilder und eine Videoaufnahme haben. Sie meinten aber, nein. Wir haben so eine kleine Gruppe bei WhatsApp und dann schreiben wir uns, wenn irgendwas ist.

“Im Pass steht zwar, dass meine Kinder
deutsch sind, sie sind auch hier geboren,
aber sie müssen ein Leben lang mit Rassismus leben?!”

Opferperspektive: Was hat euch geholfen und was hilft euch aktuell, mit rassistischen Anfeindungen umzugehen?

A.: Zwar passieren uns Sachen – dass ich auf der Straße doof angeguckt werde oder dass ich manchmal Sätze höre, weil ich Kopftuch trage. Aber so etwas ist uns noch nie passiert. Im Pass steht zwar, dass meine Kinder deutsch sind, sie sind auch hier geboren, aber sie müssen ein Leben lang mit Rassismus leben?! Meine Kinder fragen mich: „Warum? Nur weil wir Moslems sind?“. Verstehe ich nicht, will ich auch gar nicht verstehen. Und das versuche ich meinen Kindern auch immer mitzugeben. Ihr müsst das nicht verstehen, ihr dürft euch durchsetzen, ihr dürft auch eure Meinung sagen. Meine Kinder sollen nicht an so etwas denken. Die sollen an schöne Sachen denken, was Schönes erleben. Ich will, dass meine Kinder Kraft haben, stark sind, dass sie lernen, wenn sie irgendwann mal erwachsen sind, wenn jemand ihnen irgendwas sagt, dass sie sagen: “Nein, meine Mutter hat auch nie die Klappe gehalten, wir müssen auch dagegen kämpfen”. Ich bringe meinen Kindern natürlich auch bei, dass sie Respekt gegenüber anderen Menschen haben. Nur wenn jemand sie angreift oder irgendwelche Sachen sagt, dann dürfen sie dagegen kämpfen. Das müssen sie lernen. Da habe ich mir gesagt, dass ich dagegen kämpfen werde. Für meine Kinder.

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