»Wir haben hier die Macht«

Am 18. Juni 2005 feierte Fabian im Fürstenwalder Stadtpark mit FreundInnen aus der Punk-Szene seinen 16. Geburtstag. Am frühen Abend wurden sie von vorbeikommenden Rechten angepöbelt. Gegen Mitternacht, als die meisten Punks gegangen waren, erschienen etwa zehn Rechte und gingen auf die verbliebenen Gäste los. Der 19-jährige Jochen wurde bewusstlos geschlagen, ins Gesicht getreten, Bierflaschen wurden auf ihm zertrümmert. Fabian erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und wurde zusammen mit Jochen und einem weiteren Freund ins Krankenhaus gebracht. Die herbeigerufene Polizei konnte einige Rechte festnehmen. Deren Blutalkoholwerte waren in der Polizeimeldung, die in der Märkischen Allgemeinen erschien, bis zur zweiten Stelle nach dem Komma zu lesen. Dass sie »Sieg Heil!« gebrüllt hatten, ging aus dem Text mit der Überschrift »Schlägerei zwischen Jugendgruppen« indes nicht hervor. Jugendliche machten ihrem Ärger über das Verschweigen des politischen Hintergrunds in Internetforen Luft. Die Polizei korrigierte ihre Darstellung der Tat.

Fabian und Jochen verbringen die meiste Zeit in einem städtischen Jugendclub. Die Leitung hat den Rechten den Zutritt untersagt. »Die haben dann den Jugendclub umstellt«, berichtet Jochen. Mehrmals wurde die Einrichtung belagert, Jugendliche wurden beschimpft und fotografiert. Als der Sozialpädagoge Marc H.

  • schließlich die Polizei rief, widersetzten sich die Rechten, es kam zu Handgreiflichkeiten. Der stadtbekannte Rechtsextremist Denny Baumbach startete daraufhin eine Unterschriftensammlung in der Nachbarschaft des Jugendclubs. »Anständige Bürger«, so der Text, müssten etwas gegen den »Hort von Drogen und Gewalt« unternehmen.
  • Der Jugendsozialarbeiter Marc H. sieht hinter der Bedrohung eine Strategie: »Die NPD hat in Fürstenwalde gute Strukturen aufgebaut. Die Parteileute sind auf der Straße nicht präsent, aber sie haben Leute wie Denny Baumbach und Christian W., die systematisch Jugendliche rekrutieren.« Denny Baum-bach sammelt in einem Haus rechte Jugendliche um sich, zugleich unterhält er engen Kontakt mit dem NPD-Kreis-tagsabgeordneten Klaus Beier. Christian W.s Einsatzgebiet ist der Doppelgänger-Platz im Stadtzentrum. Hier trifft sich eine Clique von 20 bis 30 rechten Jugendlichen. Fünf von ihnen stehen zur Zeit vor Gericht, weil sie im Juli 2004 jugendliche Flüchtlinge unter »White Power«-Rufen zusammengeschlagen hatten. »White Power heißt, dass wir hier die Macht haben und nicht die«, erklärte einer der Angeklagten dem Richter selbstbewusst.

    Marc H. versucht, mit alternativer Kultur und Politik den Rechten etwas entgegenzusetzen. »Mir gefällt daran, dass wir über Vorfälle sprechen«, sagt Fabian über die Jugendinitiative, die Ska- und Punk-Konzerte organisiert. »Wir haben aber auch die Gegenaktion zum NPD-Stand an Ostern mit auf die Beine gestellt«, ergänzt Jochen. Bei der Protestaktion arbeiteten sie mit der Plattform gegen Rechts zusammen. Das Bürgerbündnis ist seit 1998 aktiv. Fabian und Jochen glauben allerdings nicht an die Zivilgesellschaft: »Otto Normalverbraucher interessiert es nicht, was uns passiert. Die sind froh, dass sie selbst nichts abkriegen.« Die Jungs beklagen, dass die Rechten Anerkennung finden, seitdem sie nicht mehr das typische Outfit haben. Der Sozialpädagoge pflichtet ihnen bei: »Sie beeinflussen mit Erfolg Jugendliche.« Marc H. berichtet, dass er einige Jugendliche an die Rechten »verloren« habe. Aber er will ihnen nicht das Feld überlassen. »Die sind deshalb stinksauer«, weiß er. Fabian und Jochen nicken.

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