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Alfred Roos, Leiter der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“, überreicht Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive, einen Blumenstrauß © Presseservice Rathenow / Opferperspektive

Am späten Nachmittag des 22. Septembers versammelten sich Menschen aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft in Potsdam, um das 25-jährige Bestehen der Opferperspektive zu feiern. Die Veranstaltung, die vielfältige Einblicke in die Arbeit des Vereins bot, wurde durch Grußworte von Dr. Werner Treß, stellvertretender Direktor des MMZ, Ministerin Ursula Nonnemacher sowie von Elizabeth Ngari und Janet Otieno von Women in Exile eröffnet.

Eine Gesprächsrunde brachte Max Teske und Eric Mbiakeu mit Anne Brügmann, einer Beraterin der Opferperspektive, zusammen. Sie diskutierten die aktuellen Herausforderungen im ländlichen Raum, insbesondere in Bezug auf rechte Dominanz und deren Auswirkungen. Max Teske, ehemalige Lehrkraft einer Schule in Burg (Spreewald), ging gemeinsam mit Laura Nickel im April 2023 mit einem Brandbrief zu Rassismus und rechter Gewalt an ihrer Schule an die Öffentlichkeit. In dem Minitalk teilte er seine Erfahrungen von Anfeindung nach der Veröffentlichung des Briefs.

Eric Mbiakeu ist Mitbegründer des Vereins Open Dreams in Brandenburg (Havel), einer Plattform zur Vernetzung von geflüchteten Menschen und ihren Unterstützenden in der Havelstadt. Auch er erlebte am eigenen Leib, was es bedeutet, sich lokal gegen Rechts und Rassismus zu engagieren. In diesem Kontext betonte er die Bedeutung solidarischer Community-Projekte in der Region, um der rechten Raumaneignung entgegenzuwirken. Dafür braucht es einen physischen Treffpunkt in der Havelstadt. Eric Mbiakeu sagte: “Es ist wichtig, dass unsere Communities in der Stadt mehr Raum bekommen, um einen intensiveren Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft zu ermöglichen.”

Anne Brügmann, Eric Mbiakeu und Max Teske © Presseservice Rathenow / Opferperspektive

Künstlerische Elemente wurden ebenfalls in das Veranstaltungsprogramm integriert, darunter Musik von Bookwood and Friend, ein Poetry Slam von Tanya Raab sowie der Gedenkinitiative Emil Wendland.

Tanya Raabs Spoken Word reflektierte eindrücklich die aktuellen Anliegen von Jüdinnen und Juden in Brandenburg, u. a. dass Diskussionen über jüdisches Leben zu häufig auf den Holocaust reduziert werden, während die gegenwärtigen Herausforderungen und Ängste jüdischer Menschen vernachlässigt werden. Ein Auszug aus dem Redebeitrag:

Ich soll natürlich immer meine jüdische Perspektive einbringen.
Ich ersetze alles und jeden.
Ich soll historische Fakten über die Shoah herunterbeten,
als wäre ich eine Historikerin
und dann soll ich auch noch persönlich werden,
ich meine, was wäre ein gutes Gespräch über den Holocaust nicht ohne Tränen.

Ich möchte eigentlich gar nicht so viel. Ich würde mir eine Synagoge in meiner Nähe wünschen. Oder dass auch mal über die Gegenwart gesprochen wird, wenn es um Juden geht.

Tanya Raab © Presseservice Rathenow / Opferperspektive

In einigen Orten Brandenburgs haben sich inzwischen Gedenkinitiativen gegründet. Anuscha Zbikowski von der Gedenkinitiative Emil Wendland präsentierte ein bewegendes Spoken Word, das die Erinnerung an die Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg bewahrte:

Hände sind zum Schütteln da,
Zum Streicheln und Liebkosen.
Doch eines Nachts hört man es tosen – Schreie durch die Nachbarschaft.
Wenn aus Händen Fäuste werden,
Unschuldige Menschen sterben,
Klopft das Elend an die Tür;
Hier bei uns
Geschehen Morde
Durch die Rechte Hetzerhorde.

Emil Wendland auf der Bank,
Einer nur von vielen.
Wie lange woll’n die Mörder noch
Mit uns verstecken spielen?

Dieser Text wurde beim Gedenkfest zum 30. Todestag von Emil Wendland am 1. Juli 2022 in Neuruppin performt und veröffentlicht unter: https://todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de/neuruppin/.

Anuscha Zbikowski © Presseservice Rathenow / Opferperspektive

Weitere Programmpunkte umfassten eine Lesung von Christian Bangel aus seinem Buch „Oder Florida“, die Einblicke in die humorvoll-nostalgische Auseinandersetzung mit den Ambitionen eines jungen Mannes aus Frankfurt (Oder) und der Realität einer von Nazis geprägten Stadt bot. Christian Bangel arbeitet aktuell bei der Zeit, wo er viel zu den Themen „Rechtsextremismus, Ostdeutschland und fragilen Konservatismus“ schreibt. 2019 ging sein Tweet viral:

Ihr Zeugen der Baseballschlägerjahre. Redet und schreibt von den Neunziger und Nullern. It’s about time.

Der Hashtag „Baseballschlägerjahre“ ging viral und ermöglichte einen Austausch über eine bis dahin wenig beachtete Realität: Die massive Gewalt durch Menschen, die lange Zeit als sogenannte „Verlierer“ und „eigentliche Opfer“ der Transformationsprozesse dargestellt wurden, und die teilweise tödlichen Folgen dieser Gewalttaten für BIPoC, für alternative Jugendliche, für sozialschwache Menschen und andere Betroffenengruppen.

Eine Talkrunde zwischen Nadja Abdelhamid, Vorständin der Opferperspektive, und Hassaan Al Hassan vom Geflüchtetennetzwerk Cottbus beleuchtete die Notwendigkeit der Antidiskriminierungsberatung in Brandenburg. Ein weiterer Minitalk mit Heike Kleffner, Geschäftsführerin des Verbands der Opferberatungsstellen VBRG, und Judith Porath vertiefte die Diskussion über die Bedeutung professioneller Beratungsangebote und die dringend notwendige Debatte über ein AfD-Verbot.

Zum Abschluss präsentierte Prof. Dr. Gideon Botsch das Buch “Rechte Gewalt: Aktuelle Analysen und zeithistorische Perspektiven auf das Land Brandenburg”.

Eine Überraschungsperformance von Danger Dan setzte den Höhepunkt der Feierlichkeiten. Seine musikalische Darbietung gemischt mit konkreten politischen Kampfansagen zeigt, wie vielfältig Solidarität und Aktivismus sein können.

Danger Dan © Presseservice Rathenow / Opferperspektive

Die Jubiläumsfeier war geprägt von Engagement, Würdigung der Arbeit des Vereins und dem Ausblick auf zukünftige Herausforderungen im Kampf gegen rechte Gewalt und Diskriminierung in Brandenburg. An dieser Stelle möchten wir unseren herzlichen Dank an alle Beteiligten und Unterstützenden richten, einschließlich unserer Kooperationspartner:innen in der Zivilgesellschaft und Wissenschaft, darunter Geflüchteten- und Migrant:innenselbstorganisationen, antifaschistische Initiativen, Migrationsberatungsstellen, Anwält:innen und engagierten Einzelpersonen. Nicht zuletzt gebührt unser aufrichtiger Dank all unseren ehemaligen und aktuellen Kolleg:innen. Mit eurer tatkräftigen Unterstützung konnten und können wir weiterhin unseren Beitrag zur Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt in all ihren Erscheinungsformen leisten. Ihr seid unverzichtbar für unsere Arbeit!

Elizabeth Ngari und Janet Otieno von Women in Exile © Presseservice Rathenow / Opferperspektive
Judith Porath auf dem Podium mit Heike Kleffner vom VBRG © Presseservice Rathenow / Opferperspektive
Musik von Bookwood and Friend © Presseservice Rathenow / Opferperspektive
Christian Bangel liest aus seinem Buch „Oder Florida“© Presseservice Rathenow / Opferperspektive
Tanya Raab mit ihrer Regenbogen-Kippah im Publikum © Presseservice Rathenow / Opferperspektive