Das Grenzenlosfestival in Lübben

Alternative Jugendkultur gegen den Strom: Das Grenzenlosfestival in Lübben
Alternative Jugendkultur gegen den Strom: Das Grenzenlosfestival in Lübben

Lübben, die Kreisstadt des Landkreises Dahme- Spreewald im südöstlichen Brandenburg, hat knapp 15.000 EinwohnerInnen. Die rechte Szene ist hier schon seit den 1990er Jahren stark präsent und verfügt mit dem inoffiziellen Jugendclub Bunker 88 über einen eigenen Treffpunkt. Die Ziffer 88 ist in der rechten Szene ein verbreitetes Kürzel für »Heil Hitler«. Laut Polizei treffen sich in dem Club in einer stillgelegten Brauerei regelmäßig etwa 40 ortsansässige Rechte. Mit dem Lübbener Forum gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit hat sich dagegen eine aktive Bürgerinitiative entwickelt. Das Grenzenlosfestival, das jedes Jahr im August stattfindet, wird von Jugendlichen mit Unterstützung der Bürgerinitiative organisiert. Zwischen 500 bis 1.000 BesucherInnen kommen zu den Konzerten und Workshops. Seit 2005 erhält das Festival Unterstützung durch die Stadtverwaltung. Dennoch tun sich Bürgermeister Bretterbauer (CDU) und die Stadtverordnetenversammlung schwer, gegen rechts Flagge zu zeigen. Als im Dezember 2006 eine rechtsextreme Demonstration durch den Ort zog, protestierte die Stadt gegen »Extremismus« – gemeint war damit auch eine Gegendemonstration, zu der antifaschistische Gruppen aufgerufen hatten.

2000, 2001 waren die Übergriffe in Lübben so massiv, dass das Forum 1 und das MBT 2 eine Zukunftswerkstatt initiierten, an der interessierte Jugendliche teilnehmen konnten. Bei der Veranstaltung sind mehrere Ideen entstanden. Eine war, ein multikulturelles Festival zu veranstalten. Die anderen Projekte sind im Sande verlaufen und so hat sich alles auf das Festival konzentriert.

Wir wollten nach außen tragen, welche Probleme man als Jugendlicher zu der Zeit hatte. Das und das Multikulturelle waren unsere Ziele. Das Asylbewerberheim ist jetzt zu, deswegen ist der multikulturelle Aspekt verloren gegangen. Es ging dann stärker um Jugendkultur und darum, dass es Orte gab und immer noch gibt, an die man nicht gehen kann. Stadtfeste waren auch so ein Problem. Davon wussten die Erwachsenen nichts. Das Problem war bei den Eltern gar nicht angekommen, obwohl es für die Jugend sehr präsent war.

Das hat im ersten Jahr ziemlich heftige Diskussionen ausgelöst. In meinem Freundeskreis hatte einer eine Diskussion mit seinem Vater, nach dem Motto: Ihr seid ja selber Schuld, wenn ihr so herumrennt. – Das war schon heftig.

Unter den Jugendlichen ist das Grenzenlosfestival sehr gut angenommen worden. Man geht halt hin, weil da was los ist. Klar weiß man auch, dass es einen politischen Anstrich hat, aber den muss man sich ja selbst nicht geben. Wer will, kann das Nachmittagsprogramm mitnehmen und wer nicht will, der muss auch nicht. Wir haben immer einen Schwerpunkt. Im ersten Jahr ging es uns darum, allgemein auf Rechtsextremismus aufmerksam zu machen; im zweiten Jahr um Alltagsrassismus und im dritten Jahr wollten wir alternative Jugendkultur aufzeigen. Da haben wir mit »culture on the road« 3 zusammen gearbeitet. Das ist sehr gut angekommen. In diesem Jahr hatten wir Gewaltprävention als Thema.

Das Tolle ist, dass so viele Leute gemeinsam das Wochenende verbringen und dass man sieht, man ist nicht alleine. Wenn man aus einem kleinen Dorf 30 Kilometer von Lübben kommt, wo es nur Nazis im Jugendclub gibt, und man anders ist, ist es wichtig, dass man weiß, dass da draußen auch noch andere Leute sind. Das sehe ich mittlerweile als das Hauptanliegen des Festivals an.

Die Stadt und die Polizei sind erst aufgewacht, als es gegen das erste Festival eine große rechte Demo gab. Das sollte angeblich eine Spontandemo sein, die wohl doch nicht so spontan war, wie sich zeigte, als die Rechten plötzlich ein Transparent ausrollten. Das waren gut 30 oder 40 Leute. Abends haben sie Rauchbomben, so Brandkörper, die gestunken und gequalmt haben, von dem Hügel auf das Festival runter geworfen. Die Polizei meinte, wenn wir das nicht in den Griff kriegen, müsse die Veranstaltung abgebrochen werden, weil die Sicherheit des Publikums nicht gewährleistet werden könne. Damals kam dann das Sicherheitsabkommen mit der Polizei zustande. Das war hauptsächlich das Verdienst vom Forum.

Eigentlich ist jedes Jahr etwas passiert, auch immer Körperverletzungen. Im zweiten Jahr wurden die Bühne, die Toiletten und so weiter schon am Donnerstag aufgebaut. Über Nacht war dann niemand auf dem Platz. Als wir am Morgen hingekommen sind, war alles zugepflastert mit Aufklebern: »Antifa zerschlagen, in Lübben und überall«. Wir haben hier gar keine Antifa, aber naja … Auf der Bühne haben sie auch ein bisschen randaliert. Als das Festival lief, war die Präsenz der Nazis so massiv vor dem Eingang, dass sich Leute deswegen nicht hin getraut haben. Im letzten Jahr haben die Nazis Flyer gegen das Festival an die Haushalte verteilt. Die waren intelligent geschrieben, auf der Schiene, dass die Macher des Festivals Drogen verkaufen würden: Jeder, der sein Kind dahin schickt, müsse wissen, dass das Kind dann Gefahr läuft, dort Drogen zu konsumieren. Das war heftig, weil es für jemanden, der keine Ahnung hatte, plausibel klang.

Dieses Jahr war es im Vorfeld ruhig. Wir haben im Grunde darauf gewartet, dass etwas passiert, ist aber nicht. Teilweise waren sie zwar vor den Toren präsent, aber nicht so stark, dass es irgend jemanden abgeschreckt hätte. An dem Wochenende ist das Polizeiaufgebot in der Stadt massiv.

So richtig wahrhaben will die Stadt das Problem immer noch nicht, obwohl sich schon etwas verändert hat. Die Stadt stellt uns zwar den Platz und der Bürgermeister ist der Schirmherr des Festivals. Aber die Stadt kann sich immer noch nicht dazu durchringen, explizit gegen rechte Gewalt Stellung zu beziehen. Linke Gewalt müsse unbedingt mit einbezogen werden, heißt es. Dabei gibt es hier überhaupt keine linke Gewalt.

1. Lübbener Forum gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt

2. Mobiles Beratungsteam Tolerantes Brandenburg

3. Projekt des Archivs der Jugendkulturen Berlin

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