Die angestrebte Strafschärfung für Hass-Straftaten

Auf einen Antrag der ostdeutschen Bundesländer hin beschloss der Bundesrat am 4. Juli 2008, den Entwurf einer Änderung des Strafgesetzbuches in den Deutschen Bundestag einzubringen1. Zur Beauftragten für die Beratung im Deutschen Bundestag bestimmten die LändervertreterInnen die brandenburgische Ministerin der Justiz Beate Blechinger, auf die der Vorschlag maßgeblich zurückgeht.

Die Änderung hätte erhebliche Auswirkungen auf die Verfolgung rechts motivierter Straftaten, denn die Prüfung politischer Beweggründe oder Ziele einer Tat wäre im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich vorgeschrieben. Wenn diese festgestellt werden, soll die Verhängung von auch kurzen Freiheitsstrafen an Stelle von Geldstrafen zur Regel werden. Zusätzlich soll die Aussetzung von Freiheitsstrafen zur Bewährung erschwert werden. Der Grund für eine besondere Bestrafung von Hass-Straftaten liegt, so der Bundesrat, in deren besonderen Wirkung:

»Der Angriff erfolgt (…) jeweils nicht gegen das Opfer als Individuum, sondern exemplarisch als Repräsentant einer dem Täter verhassten Menschengruppe und ist deshalb geeignet, Angst und Schrecken in der Bevölkerung, vornehmlich bei all jenen Personen zu verbreiten, die ebenfalls diese Merkmale des Opfers aufweisen.« 2

Was soll konkret geändert werden?

1. § 46 Strafgesetzbuch, Grundsätze der Strafzumessung

In § 46 ist festgelegt, welche Aspekte einer Tat bei der Festsetzung des Strafmaßes zu berücksichtigten sind. In Absatz 2 soll der hervorgehobene Satzteil eingefügt werden.

»Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch menschenverachtende, rassistische oder fremdenfeindliche, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.«

2. § 47 Strafgesetzbuch, Kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen

In § 47 Absatz 1 wird festgelegt, dass Freiheitsstrafen unter einem halbem Jahr statt einer (möglichen) Geldstrafe nur in Ausnahmefällen verhängt werden dürfen: wenn es nur mit einer Freiheitsstrafe möglich ist, auf den Täter einzuwirken, oder wenn die Freiheitsstrafe zur »Verteidigung der Rechtsordnung« notwendig erscheint. Mit der Anfügung des hervorgehobenen Satzes soll die Freiheitsstrafe bei politisch rechts motivierten Delikten zur Regel werden.

»Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Unerlässlich zur Verteidigung der Rechtsordnung ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Regel, wenn die Tat von menschenverachtenden, rassistischen oder fremdenfeindlichen Beweggründen oder Zielen mitbestimmt war.«

3. § 56 Strafgesetzbuch, Strafaussetzung

Der § 56 regelt verschiedene Fälle, in denen eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll. Absatz 3 bestimmt, dass eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten dann vollstreckt werden soll, wenn dies zur »Verteidigung der Rechtsordnung« erforderlich ist. Durch die Anfügung des hervorgehobenen Satzes soll eine Bewährungsstrafe bei politisch rechts motivierten Straftaten – wie sie durch einen geänderten § 47 definiert würden – zur Ausnahme erklärt werden.

»Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet. Zur Verteidigung der Rechtsordnung ist die Vollstreckung in der Regel in den Fällen des § 47 Abs. 1 Satz 2 geboten.«

Rechts motivierte Straftaten im geltenden Strafgesetz

Grundsätzlich ermöglicht es die geltende Rechtslage bereits, politisch rechte Beweggründe und Ziele einer Tat strafschärfend zu berücksichtigen. Bei der Strafzumessung in § 46 sollen die Beweggründe und Ziele von TäterInnen und die Gesinnung, die aus ihrer Tat spricht, Eingang finden. Durch die zusätzliche Nennung von »menschenverachtenden, rassistischen oder fremdenfeindlichen« Beweggründen oder Zielen soll durch die Gesetzesänderung deutlicher gemacht werden, dass diese Motive nicht vernachlässigt werden dürfen.

Die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen und deren Vollstreckung sind nach den geltenden §§ 47, 56 ebenfalls schon möglich. Es muss dazu im Einzelfall nachgewiesen und begründet werden, dass und warum dies erforderlich ist. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe soll, so der Vorschlag, die Regel werden, während eine Aussetzung zur Bewährung künftig einer ausführlichen Begründung bedürfen soll. Hass-Straftaten, so die Argumentation, sind auf Nachahmung angelegt und eine abschreckende Wirkung auf die Gesellschaft ist deshalb erforderlich. Diese könne nach geltendem Recht aber nicht erreicht werden, weil der Begründungsaufwand für eine Nichtaussetzung der Vollstreckung hoch sei, so der Bundesratsbeschluss.

Die Bestrafung von Hass-Straftaten in europäischen Staaten

In den U.S.A., Kanada und einigen europäischen Staaten bestehen strafschärfende Regelungen für »hate crimes« – Straftaten, die auf Grund von Hass oder Vorurteilen begangen werden 3 . Auf europäischer Ebene steht eine Strafschärfung auf der Tagesordnung, seitdem die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (heute: Europäische Kommission) dem Europäischen Rat im November 2001 einen Vorschlag für einen »Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit« vorlegte 4 . Die Mitgliedstaaten sollten unter anderem verpflichtet werden, ihre Gesetze so zu gestalten, dass »rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe« einer Tat als erschwerende Umstände gewertet werden können. Ein Beschluss des höchsten Gremiums der EU, der einstimmig gefasst werden muss und bindende Wirkung hat, kam aber nicht zustande. Seit Juni 2007 liegt ein neuer Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates vor, in dem es unter Artikel 4 heißt:

»Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass (…) rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe als erschwerender Umstand gelten oder dass solche Beweggründe andernfalls bei der Festlegung des Strafmaßes durch die Gerichte berücksichtigt werden können« 5 .

Bisherige Vorschläge zur Strafschärfung in Deutschland

Unabhängig voneinander hatten Brandenburg 6 und Mecklenburg-Vorpommern 7 im Jahr 2000 jeweils einen Gesetzesantrag zur härteren Bestrafung von »extremistischen« bzw. »gegen die Menschenwürde gerichteten« Straftaten in den Bundesrat eingebracht. Von Mecklenburg-Vorpommern wurde unter anderem ein Fahrverbot als zusätzliche Hauptstrafe gefordert. Das Land Brandenburg schlug einen neuen § 224 a »Körperverletzung aus niedrigen Beweggründen« vor. Danach sollte mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft werden, wer aus »Hass gegen Teile der Bevölkerung (…)« eine Körperverletzung begeht. Beide Vorschläge erreichten keine Mehrheit.

Einen zweiten Anlauf unternahmen die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt mit einem gemeinsamen Antrag im Bundesrat am 20. August 2007 8 , der im Wesentlichen schon dem im Juli 2008 vom Bundesrat beschlossenen Entwurf entsprach. Nach dem Vorschlag von 2007 sollte in § 46 »der Umstand, dass ein Beweggrund der Tat die politische Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, das äußere Erscheinungsbild, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung des Opfers ist« gewürdigt werden. Diese Aufzählung von Opfermerkmalen stieß auf Kritik. Der Entwurf wurde in die Ausschüsse verwiesen und schließlich am 21. September 2007 vertagt. Seitdem wurde der von Brandenburg und Sachsen-Anhalt entworfene Vorschlag mit den Ländern beraten und überarbeitet. Im Juli 2008 wurde der jetzt vorliegende Entwurf als gemeinsamer Antrag aller ostdeutschen Bundesländer in den Bundesrat eingebracht, wobei er eine Mehrheit erhielt.

Die Position der Bundesregierung

Im Jahr 2001 beauftragte das Bundesministerium der Justiz das Deutsche Forum für Kriminalprävention, das in den U.S.A. verbreitete Konzept der Hasskriminalität für deutsche Verhältnisse zu diskutieren und Vorschläge zur Vorbeugung solcher Delikte zu entwickeln 9. In den Empfehlungen des 2004 publizierten Berichts wurden eine Änderung des Strafrechts und besonders scharfe Strafen abgelehnt. Zur Verhinderung von Hassdelikten seien vielmehr »die Erhöhung der Aufklärungsraten und des Ermittlungsdrucks sowie (…) die konsequente Durchführung des Strafverfahrens« geeignete Maßnahmen. Entsprechend kritisch wurden die Bundesratsinitiativen der Länder gewürdigt.

Diese Auffassung scheint das Bundesministerium der Justiz auch bezüglich des Bundesratsbeschlusses von 2008 zu vertreten. In einer ersten Stellungnahme vom 13. August dieses Jahres unterstrich die Bundesregierung, dass sie das Anliegen des Bundesrats zwar teile, die beantragten Neuregelungen aber nicht als »sachgerecht« ansehe 10>. Die Würdigung der Tatmotivation sei bereits im § 46 enthalten. Die erleichterte Verhängung kurzer Freiheitsstrafen liefe dem Grundgedanken des § 47 zuwider, dessen Überschrift laute: »Kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen«. Ähnlich argumentiert die Bundesregierung beim § 56. Eine regelmäßige Vollstreckung von Freiheitsstrafen stelle eine Umkehr der Systematik dar, nach der bei der Prüfung einer Aussetzung zur Bewährung die Kriminalprognose des Täters Vorrang vor der Abschreckung haben müsse.

Linktipps: Strafrecht & Rechtsextremismus

Expertenhearing Hasskriminalität

Dokumentation der Referate und Diskussion bei einer Tagung des Ministeriums der Justiz des Landes Brandenburg am 12. Februar 2007 zur Frage einer Gesetzänderung zur besseren Bekämpfung von Hasskriminalität.

Analyse der Entwicklungsverläufe von jugendlichen Gewalttätern

Das Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung hat die beim Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg gesammelten Daten über rechte Gewalttäter ausgewertet und Schlussfolgerungen für präventive und strafrechtliche Maßnahmen vorgeschlagen.

Abschied von Hass und Gewalt

Bericht über das Modellprojekt »Präventive Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg«

Der Aufstand der Zuständigen

Dokumentation einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung am 20. März 2007 über die Frage: Was kann der Rechtstaat gegen Rechtsextremismus tun?

Strafrechtliche Reaktion auf rechts motivierte Gewalttaten

In ihrer Dissertation von 2003 diskutiert Silvia Seehafer Möglichkeiten des Strafrechts, wirksam gegen rechts motivierte Straftaten vorzugehen.

Das Deutsches Forum für Kriminalprävention untersuchte von 2001 bis 2004 im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz die Übertragbarkeit des amerikanischen Konzepts der Hasskriminalität und schlug zahlreiche Maßnahmen zur Vorbeugung solcher Straftaten in Deutschland vor.

Fußnoten

1 Das Strafgesetzbuch: www.gesetze-im-internet.de/stgb/ und die vorgeschlagenen Änderungen: www.bundesrat.de
2 ebda.
3 Als Hasskriminalität bezeichnet man, nach der Definition des Deutschen Forums für Kriminalprävention, »Gewaltstraftaten gegen Personen oder Sachen, die der Täter vor dem Hintergrund eines eigenen Gruppenzugehörigkeitsgefühls gegen ein Mitglied einer anderen Gruppe aufgrund deren Eigenschaft – wie Rasse, Nationalität, Religion, sexuelle Orientierung oder sonstiger Lebensstil – ausführt und damit beabsichtigt, alle Fremdgruppenmitglieder einzuschüchtern und die Eigengruppe zu entsprechenden Taten aufzufordern.« (Bundesministerium der Justiz und Deutsches Forum für Kriminalprävention: Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere: junge Menschen: www.bmj.bund.de). Eine Übersicht der Gesetze, mit denen Hasskriminalität in verschiedenen Staaten verfolgt wird, hat die OSZE herausgegeben: Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights: Combating Hate Crimes in the OSCE Region: An Overview of Statistics, Legislation and National Initiatives: www.osce.org/publications/odihr/
4 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 28.11.2001, 2001/0270 (CNS), Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit: eur-lex.europa.eu
5 Council of the European Union, 19.07.2007, Note from General Secretariat of the Council, 11522/07 LIMITE DROIPEN 68: register.consilium.europa.eu
6 Bundesrat Drucksache 577/00, 26.09.2000: www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv
7 Bundesrat Drucksache 759/00, 16.11.2000
8 Bundesrat Drucksache 572/07, 20.08.2007: www.bundesrat.de
9 Bundesministerium der Justiz und Deutsches Forum für Kriminalprävention: Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere: junge Menschen: www.bmj.bund.de
10 Bundestag Drucksache 16/10123, 13.08.2008: dip21.bundestag.de

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