Prozess nach Cottbuser Silvesterangriff endet fast 6 Jahre nach der Tat mit Verurteilungen


Pressemitteilung

Cottbus, 29.09.2023 – Fast sechs Jahre nach dem brutalen Silvesterangriff in Cottbus am frühen Neujahrsmorgen 2018 auf drei Geflüchtete endet der langwierige Prozess am Landgericht mit erwartungsgemäß milden Urteilen. Trotz mangelhafter Ermittlungsarbeit der Polizei erkennt das Gericht eine rassistische Motivation der Täter an.

Von den sieben Angeklagten wurden fünf verurteilt, während zwei Personen freigesprochen wurden. Ein Angeklagter legte bereits am Anfang des Prozesses ein Geständnis ab und entschuldigte sich für seine Beteiligung an dem Angriff. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und 3 Monaten ausgesetzt auf Bewährung. Den weiteren vier Verurteilten konnten zwar kaum konkrete Tathandlungen nachgewiesen werden, sie handelten aber nach Auffassung des Gerichts nach einem gemeinsamen Tatplan. Da zwei der Angeklagten erst im Verlauf des Angriffs im Eingangsbereich der Geflüchtetenunterkunft hinzu kamen, und ihnen keine körperlichen Attacken zugeordnet wurden, sprach das Gericht sie frei.

Das Landgericht erkennt in seinem Urteil die rassistische Motivation der Angreifer an. Diese wurde noch während des Prozesses in Zweifel gezogen. Während die Betroffenen von “Ausländer raus”-Rufen und weiteren rassistischen Beschimpfungen berichteten und Chatprotokolle aus dem Umfeld der Täter eine rechte Gesinnung nahelegten, beriefen sich die Verteidiger auf die durch die Angeklagten hervorgebrachte Version der Geschichte, dass Auslöser der Tat eine angeblich stattgefundene Belästigung zweier Frauen durch die später Angegriffenen gewesen sei.

Die Staatsanwaltschaft war in ihrem Plädoyer von einer rassistisch motivierten Tat ausgegangen, und hatte dies als strafverschärfend gewertet. Die Polizei hingegen glaubte die Erzählung der Angeklagten, ohne sie tiefergehend zu prüfen. Der leitende Ermittlungsbeamte äußerte sich in der Hauptverhandlung dahingehend, dass es Berufserfahrung sei, dass Männer aus bestimmten Kulturkreisen zu solchen Handlungen neigen würden. Dementsprechend schloss er eine rassistische Tat aus.

“Es ist zutiefst ärgerlich, dass die Polizei in diesem Fall keine ernsthafte Ermittlungsarbeit geleistet hat. Das vorurteilsbehaftete Vorgehen der Polizei hat hier eine echte Aufklärung der Hintergründe der Tat behindert“, äußert sich Joschka Fröschner, zuständiger Berater der Opferperspektive. „Dass das Gericht trotzdem den rassistischen Gehalt der Tat anerkannt hat, ist eine späte Genugtuung für die Betroffenen“, fügt Fröschner an.

Die Opferperspektive kritisiert die im Gerichtsbezirk Cottbus bekannt langen Verfahrensdauern, die strafmildernd für die Täter wirken und gleichzeitig äußerst belastend für die Betroffenen sind: “Die Auswirkungen dieses rassistischen Angriffs sind bis heute spürbar. Einer der Betroffenen hat einen schweren Kieferbruch erlitten, dessen Folgen ihn nach wie vor belasten. Doch nicht nur körperlich, sondern auch seelisch haben alle Betroffenen tiefe Wunden davongetragen. Bei einem so komplexen Tatgeschehen ist es nach so vielen Jahren äußerst herausfordernd, sich an die Einzelheiten zu erinnern und das Erlebte in Worte zu fassen”, schließt Fröschner.

Aktuelles, Pressemitteilungen