Neuerliche Zerstörung der Gedenktafel für Farid Guendoul/Omar ben Noui

Gedenktafel in Guben
Gedenktafel in Guben

Nachdem die Täter der beiden vorangegangenen Schändungen – darunter auch zwei der Angeklagten des »Hetzjagd-Prozesses« vor dem Landgericht Cottbus – sich auf das Zerstrampeln der zum Gedenken niedergelegten Blumen und das (in diesem Lande zum Alltag gehörende) Skandieren von widerlichen Naziparolen beschränkten, leisteten die »Kameraden« bei der jüngsten Schändung vergangene Nacht (?) ganze Arbeit: Sie rissen, möglicherweise mit Hilfe eines Autos, die in einen Findling eingelassene Platte aus der Verankerung und stahlen sie.

Sicher haben diese schamlosen Rassisten unter ihrer Trophäe auf den »Nationalen Widerstand« angestossen. Aber auch einer schweigenden oder Leserbriefe schreibenden Mehrheit in der Stadt wird das Verschwinden der Gedenkplatte gerade recht sein: Selbst diese völlig kostenlosen und rein symbolischen Akte des Gedenkens, des Mitgefühls scheinen den meisten in diesem Lande ein Stachel im Fleisch zu sein.

Immerhin, der Gedenkstein war zuletzt selbst von Stadtoffiziellen angenommen und als Ort akzeptiert worden, an welchem diesem Opfer der Gubener, Brandenburger, ostdeutschen, deutschen Verhältnisse gedacht werden konnte, Blumen niedergelegt werden konnten. Auch der peinliche Widerstand der halsstarrig um den »Ruf Gubens in der Welt« besorgten SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung musste nun endlich verstummen, nachdem Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) vergangene Woche den Gedenkstein besuchte und seinen Unmut darüber äußerte, dass die Gesellschaft nicht in der Lage sei, weder mit den Opfern noch mit den Tätern rassistischer Gewalt angemessen umzugehen.

Wie schon seit einem Jahr geht es auch im Zusammenhang mit der neuen Serie von Schändungen niemandem um das Opfer selber: Der Stein sollte an eine Person erinnern, die nach Deutschland kam, um eine Chance fürs Leben zu finden, zum Überleben. Er starb, weil er sich in seiner Todesangst auf der Flucht vor einem rassistischen Mob schwer verletzte. Ihm gehört unser Gedenken und ihm widmen wir unseren Kampf, unsere Wut und unseren Zorn, diesen tödlichen Kreislauf der Gleichgültigkeit und diese neuerliche Renaissance eines völkischen Wahns zu stoppen.

Völlig losgelöst von Omar/Farid ist nur noch ein Wettlauf übrig geblieben, ob eine kleine Minderheit aus Antifa und einer Handvoll anderer ein symbolisches Gedenken an den Toten gegen die Verhöhnung durch die Täter, ihre Verteidiger vor Gericht und eine hämische Mehrheit in der Bevölkerung durchsetzen kann oder ob dieser Mehrheitsrassismus von ihren willigen Neonazi-Vollstreckern exekutiert wird.

Wir, die Gruppen, die den Prozess in Cottbus beobachten und dokumentieren: Antifa Guben, Anlaufstelle für Opfer rassistischer Gewalt, Cottbus, und Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Berlin, wollen uns an diesem Wettstreit nicht beteiligen und fordern nun das offizielle Guben, das ach so tolerante Brandenburg oder wen auch immer auf, den Gedenkstein zu erneuern und gegen den rassistischen Hohn und den Widerstand in der Bevölkerung zu schützen. Es gibt Möglichkeiten technischer und gesellschaftlicher Art gegen diese permanente Beleidigung des getöteten Farid Guendoul/Omar ben Noui vorzugehen. Dazu fordern wir nun die Stadtverwaltung, die Landesregierung, Interessenverbände, Gewerkschaften, Kirchen, Schulen, die Bundesregierung und alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen auf, die mit ihrer Taten- und Ideenlosigkeit, ihrem Schweigen und ihrer Gleichgültigkeit für das Klima im Lande verantwortlich sind, in welchem sich rassistische Nazis bewegen wie Fische im Wasser.

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