Nicht einmal eine Geste des Bedauerns

Die Ware war verbrannt oder verrußt, der Schaden betrug 35.000 Euro. Die Opferperspektive bat die Stadtverwaltung, über ein Hilfsangebot für die Familie nachzudenken, und regte an, die Kommune möge das Gespräch mit den MigrantInnen im Ort suchen. Vergebens. »Da kann man wohl nichts machen«, war die häufigste Antwort.

Im April 2004 bekam die Familie einen Brief, in dem die Staatsanwaltschaft mitteilte, dass das Verfahren eingestellt worden sei. Zwei Monate später verkündete der Innenminister die Enttarnung einer rechtsextremen Gruppe, die für zehn Brandanschläge auf Geschäfte von MigrantInnen in der Region verantwortlich sei. Über den Fall wurde in den Zeitungen und im Fernsehen berichtet; nur die Familie, deren Geschäft verbrannt worden war, wurde nicht informiert.

Ein halbes Jahr später erhielt der Inhaber eine Zeugenvorladung des Oberlandesgerichts. »Die haben bei mir eingekauft«, sagte der vietnamesische Geschäftsmann, nachdem er den Tätern vor Gericht gegenüber gestanden hatte. »Ich war wütend, ich wollte wissen, warum sie uns das angetan haben.« Aber die Brandstifter schwiegen. Im März 2005 wurde das Urteil gesprochen. Zwölf Jugendliche hatten die Kameradschaft Freikorps gegründet und in einer Satzung festgehalten, dass sie MigrantInnen durch Anschläge vertreiben wollen. Die Gruppe wurde als »terroristische Vereinigung« eingestuft. Ihr Anführer, mit 20 Jahren der Älteste in der Gruppe, bekam eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren. Während des Prozesses kam heraus, dass die Neonazis von vielen BürgerInnen gedeckt worden waren. »Es war allgemein bekannt, wer die Imbisse angezündet hat«, sagte eine Lehrerin. Auch der Bürgermeister eines Ortsteils hatte es gewusst. Die Mutter von einem der Täter hatte die Brandstifter zu einem der Anschläge gefahren.

Nach dem Urteil besuchte die Opferperspektive die Anschlagsopfer. Von der Kommune hatte sich bei keinem der Betroffenen jemand gemeldet – nicht nach den Anschlägen, nicht nach der Festnahme der Täter, nicht nach dem Urteil. Sie hätten Hilfe gebraucht, aber die Verantwortlichen waren offenbar nicht einmal zu einer Geste des Bedauerns fähig.
Einige Betroffene haben Schadensersatz von Versicherungen bekommen, andere aber hatten – wie die vietnamesische Familie – keinen Versicherungsschutz. Dazu kam der Verdienstausfall: Einige der niedergebrannten Imbisse mussten über Wochen, manche über Monate geschlossen bleiben. Einer der Brandstifter ließ der vietnamesischen Familie durch seinen Anwalt eine Zahlung von 20 Euro monatlich anbieten. Die niedrige Summe irritierte sie. Sie erwägen nun, ob sie auf Schadensersatz klagen sollen. Aber das kann Jahre dauern. Wenn das Zivilverfahren gewonnen wird, erhalten sie nur dann etwas, wenn die Täter zahlungsfähig sind; verlieren sie, müssen die Opfer auch noch die Kosten des Verfahrens tragen.
Manche der Betroffenen hatten gehofft, der Staat würde ihnen helfen. Aber die Entschädigung der Bundesanwaltschaft für Opfer rechter Gewalt können sie nicht in Anspruch nehmen, weil sie keine körperlichen Verletzungen erlitten haben.

Aktuelles