Rechte Szene in Hennigsdorf: »Fast normale Jugendkultur«

Antirassismusdemo in Hennigsdorf (Foto: Juri Eber)
Antirassismusdemo in Hennigsdorf (Foto: Juri Eber)

In der Nacht zum 9. August 2006 wurden in Hennigsdorf vier »Stolpersteine« aus der Straße gerissen und gestohlen. Die Messingplatten, die an eine vor den Nazis geflohene jüdische Familie erinnerten, waren im Mai dieses Jahres in der Kleinstadt nördlich von Berlin verlegt worden. Am 16. August beschmierten Unbekannte das Sowjetische Ehrenmal mit Hakenkreuzen. Nur wenige Tage später war die Fassade
der Albert-Schweizer-Oberschule, die sich an der Aktion »Schule ohne Rassismus« beteiligt, mit Naziparolen übersät. Am 30. August wurde ein Angestellter des Döner-Imbisses am Bahnhof von drei Rechten angegriffen und mit einer Bierflasche bewusstlos geschlagen.

Angesichts der Häufung rechter Straftaten beklagt die Bürgerinitiative »Hennigsdorfer Ratschlag«, dass die rechte Szene immer aggressiver werde. Im April dieses Jahres war ein junger Mann aus der Punkszene von Mitschülern als »Zecke« beschimpft und zusammengeschlagen worden. Nach einer Anzeige wurde der Schüler mehrmals bedroht, so dass er sich zeitweise nicht mehr in die Schule wagte und bestimmte Straßen mied. Von der Schulleitung erhielt er Unterstützung und konnte in eine Klasse ohne rechte MitschülerInnen wechseln. Die Möglichkeiten, den Rechten aus dem Weg zu gehen, sind in der kleinen Stadt jedoch beschränkt.

Auch bei den AsylbewerberInnen, die im nahe gelegenen Flüchtlingsheim Stolpe untergebracht sind, ist die Stimmung schlecht. »Viele haben Angst und meiden den Kontakt zu Deutschen«, sagt Eucker D., der aus Benin stammt. Der 34-Jährige konnte sich im Juli 2005 gerade noch in die Unterkunft retten, nachdem ihn zwei Rechte auf dem Heimweg bedroht und verfolgt hatten.

Direkt neben einem Internetcafé, das viele der Flüchtlinge für billige Auslandsgespräche nutzen, liegt das Geschäft »On the Streets«. In dem Laden, der von dem Sänger der Neonazi-Band »Spreegeschwader« betrieben wird, werden rechtsextreme CDs, Szenekleidung und Accessoires angeboten. Die Aufdrucke der T-Shirts – »Ku Klux Klan« oder »National Born Killer« – bewegen sich immer hart am Rande der Legalität. »›On the Streets‹ ist der einzige Laden hier, der überhaupt Musik verkauft; nicht nur von Nazibands, auch andere Musik; der gehört fast schon zur normalen Jugendkultur«, beklagt einer der Aktiven der »Hennigsdorfer Antifaschistischen Initiative«.

Am 22. Oktober 2006 hat die Gruppe eine Demonstration gegen den Neonazi-Laden organisiert, an der sich etwa 200 HennigsdorferInnen beteiligten. Die Jugendlichen wollten mit der Aktion auch ihrer Forderung nach einem alternativen Begegnungszentrum Nachdruck verleihen, in dem den Rechten, anders als in den bestehenden Jugendeinrichtungen, der Zutritt verwehrt bleiben soll. Sie beklagen, dass es ihnen in dem städtischen Jugendclub mit dem Hinweis auf ein »Neutralitätsgebot« untersagt worden sei, zu einer Veranstaltung gegen Rechts einzuladen. Es ist zu hoffen, dass das berechtigte Anliegen nun Gehör findet. Denn die Stadtverordnetenversammlung erklärte am 6. Dezember, dass es »keinen Raum für Angriffe auf Menschen, die anders aussehen, anders sprechen, anders lieben und leben«, geben dürfe. Die CDU stimmte als einzige Fraktion gegen das Bekenntnis zur Demokratie, und brachte auch keine eigene Erklärung ein.

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