»Selbstbewusstsein der Schlägertruppen gestärkt«

Seit die NPD den sächsischen Landtag als Bühne für ihre Provokationen missbrauchte, wächst die öffentliche Empörung über den Rechtsextremismus wieder. Am Freitag debattierten die Innenminister der Länder erneut über ein NPD–Verbot.

Initiativen gegen Neonazis beklagen, dass dagegen die meist nicht organisierten Gewalttäter aus dem Blick geraten.

Die von der Bundesregierung geförderten Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt haben 2004 in den neuen Bundesländern 551 Angriffe mit rechtsextremistischem Motiv registriert, die meisten in Sachsen, Brandenburg und Sachsen–Anhalt. »Die Wahlerfolge von NPD und DVU in Dresden und Potsdam haben das Selbstbewusstsein der Schlägertruppen gestärkt«, beklagt Dominique John, der die Arbeit der Beratungsstellen koordiniert. »Seither sehen wir eine Zunahme der Gewalt.«

Angreifer sind nicht organisiert

Dabei sind die Angreifer meist keine organisierten Neonazis. »Funktionäre halten sich zurück«, sagt John. Verbindungen zur NPD gibt den Angaben zufolge trotzdem. Oft gehören demnach Gewalttäter so genannten rechtsextremen Kameradschaften an, die sich seit Jahren vor allen in Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg–Vorpommern im Aufwind befinden. Bundesweit hat der Verfassungsschutz in seinem bisher aktuellsten Bericht für 2003 etwa 160 solcher Gruppierungen aufgelistet – Tendenz steigend.

Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten geben die Verfassungsschützer mit 10.000 in der ganzen Bundesrepublik an. Vergangenes Jahr hatte sich die NPD stärker den militanten Kameradschaften geöffnet. Mittlerweile sitzt mit Thorsten Heise ein vorbestrafter Neonazi aus dieser Szene im NPD–Bundesvorstand. Auch der Verfassungsschutz betrachtet diesen Kurswechsel mit Sorge.

Im Verhältnis zur Einwohnerzahl wurden der inoffiziellen Statistik zufolge die meisten Gewalttaten in Brandenburg verübt. Die Beratungsstellen registrierten in der Mark 136 Angriffe. Nur in Sachsen gab es mit 146 rein zahlenmäßig noch mehr Fälle, allerdings leben dort doppelt so viele Menschen.

Angreifer sind nicht organisier

»Die Politik schießt sich derzeit sehr stark auf die Neonazis im Parlament ein«, kritisiert John. »Die Gefahr auf der Straße gerät dagegen aus dem Blick.« Der Verein Opferperspektive, der in Brandenburg Opfern rechtsextremistischer Übergriffe hilft und für den auch John arbeitet, sieht sich zunehmend mit besonders brutalen Fällen konfrontiert.

Opfer sind außer Fremden längst auch einheimische Andersdenkende, Menschen, denen die Rechtsextremisten eine linke Einstellung unterstellen oder die sie wegen äußerer Merkmale als minderwertig diffamieren.

In Frankfurt an der Oder etwa stehen seit Donnerstag drei Neonazis und zwei Frauen wegen der Folterung und Vergewaltigung eines Mannes vor Gericht. Sie hatten ihr 23–jähriges Opfer der Anklage zufolge als »nicht arisch« und deshalb »nichts wert« angesehen. Nachdem sie es auf der Straße überfallen und in eine Wohnung geschleppt hatten, sollen die Männer es dort zweieinhalb Stunden misshandelt, mehrmals vergewaltigt und beinahe getötet haben.

Angreifer sind nicht organisier

Dominique John erinnert außerdem an den Fall Potzlow. In dem uckermärkischen Dorf hatten im Juli 2002 drei junge Männer einen 16jährigen Jungen mit einem Sprung auf den Kopf getötet, weil ihnen dessen weite HipHop–Hosen und dessen blondierte Haare nicht passten. Zuvor hatten sie ihr Opfer stundenlang gequält.

Auch Fremdenhass und Rassismus sind nach wie vor präsent. Erst in dieser Woche hatte das Landgericht Potsdam einen Oberfeldwebel der Bundeswehr wegen eines Überfalles auf einen Kenianer zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Täter hatte dem Afrikaner eine abgebrochene Flasche in den Hals gerammt. Motiv war nach Überzeugung der Richter Fremdenfeindlichkeit. Das Opfer überlebte nur knapp, weil die Flasche die Halsschlagader verfehlte.

Angesichts der Fälle, mit denen John regelmäßig konfrontiert ist, sieht der Aktivist von der Opferperspektive die Stärkung der Zivilgesellschaft in den neuen Ländern als wichtiger an als ein Verbot der NPD. »Die demokratischen Parteien müssen vor Ort in den Städten und Gemeinden, wo die Rechtsextremisten Wahlerfolge feiern, entschlossen gegen diese vorgehen«.

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