Verein »Opferperspektive« berät nach Gewalt in Döbern

Gestern haben zwei Mitarbeiter des Potsdamer Vereins
»Opferperspektive« im Jugendklub Döbern eine Gruppe junger Menschen beraten, die am 22. Februar nach eigenen Angaben Opfer eines Überfalls mit rechten Hintergrund geworden sind. Berndt Fleischer, Polizeisprecher für den Schutzbereich Spree-Neiße sagte gestern auf RUNDSCHAU-Nachfrage, dass es bislang keine Hinweise darauf gebe: »Das wird noch untersucht.«

Das Gespräch ist vertraulich. Ulf Bünermann (41) und Johanna Kretschmann (31) haben sich gestern mit einer Gruppe junger Menschen im Jugendklub Döbern zusammengesetzt. Der Diplom-Soziologe und die Diplom-Psychologin sind zwei von sieben Mitarbeitern des Potsdamer Vereins »Opferperspektive«, die auf Anfrage Opfer rechter Gewalt im Land Brandenburg beraten. Auch in der Döberner Gruppe sind einige, die an jenem Freitag im Februar auf einem Supermarkt-Parkplatz an der Bundestraße nach eigenen Angaben von rund 40 Personen angegriffen worden sind.

Nach Polizeiangaben sechs Personen hatten an einer Party im Jugendklub teilnehmen wollen, die aber privat war (die RUNDSCHAU berichtete). »Als wir hineinwollten, wurde uns das gesagt«, erinnert sich ein Betroffener. Einige Personen von der Feier hätten sich vor der Tür versammelt, die Neuankömmlinge beleidigt. »Wir wollten uns verziehen«, so der Betroffene. Doch die anderen hätten sie verfolgt, geschubst, getreten. »Wir haben uns auf dem ehemaligen Penny-Parkplatz getroffen«, so der Jugendliche. Nach etwa zwei Stunden seien rund 40 mit Knüppeln bewaffnete Personen dort erschienen. »Einige waren keine Unbekannten«, sagt er. Die eigene Gruppe sei in den angrenzenden Wald geflüchtet, drei Mitglieder hätten es nicht geschafft und seien getreten worden — sein Freund so stark, dass er im Krankenhaus behandelt worden sei. »Jemand kam auf mich zu«, sagt dieser. »Ich dachte, das sei einer von uns. Dann habe ich gemerkt, wie er mich getreten hat und versucht, aufzustehen. Und habe wieder eine bekommen.« Er sei getreten und geschlagen worden. Einige Minuten habe der Angriff gedauert, sagt sein Freund. Die Angreifer seien verschwunden, als sie gesehen hätten, dass seine Gruppe telefoniere. Die Polizei sei eine halbe Stunde später
eingetroffen.

Nach Angaben der Betroffenen in der rechten Szene übliche Kleidung, Hitlergruß, Beleidigungen wie «Scheiß Zecken» und dass die nach eigenen Angaben Angegriffenen optisch der linken Szene zuzuordnen seien, sind für Ulf Bünermann Indizien für einen Angriff Rechter. In dem Beratungsgespräch gehe es darum, wie die Angegriffenen sich fühlen, wie sich der Alltag verändert hat — und wie sie reagieren sollen. »Wir raten dazu, eine Anzeige zu machen«, so Bünermann. »Klar zu machen, wer der Angreifer und wer der Angegriffene ist — dass man nicht Schuld sein kann.« Es sei eine verständliche Reaktion von Opfern, nicht noch eine Anzeige draufzusetzen, zu sagen: »Das mache ich lieber nicht«. «Das ist aber kontraproduktiv», so Bünermann. Auch eine Öffentlichkeit sollte hergestellt werden. So haben sich Betroffene überlegt, durch Straßenfeste oder Konzerte auf den Vorfall aufmerksam zu machen. Auch der Kontakt zu kommunalen Akteuren soll auf Anraten des Vereins in einem Folgegespräch angeschoben werden. Kritiker werfen dem Verein und seinen Hilfesuchenden vor, auf sich aufmerksam zu machen, indem sie Schlägereien als Überfälle Rechter hochstufen. »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Behörden solche Vorfälle runterspielen«, hält Ulf Bünermann dem entgegen. Das diene dazu, den Ruf von Örtlichkeiten zu schützen oder sich weniger zu positionieren. Die Untersuchungen laufen. Demnächst sind die Betroffenen nach eigenen Angaben zur Polizei vorgeladen. »Wir haben im vergangenen Jahr rund 130 Fälle betreut«, sagt Ulf Bünermann. Wegen der vielen Geschädigten und Verdächtigten könnten sich Verfahren, die der Verein begleite, mehr als ein Jahr hinziehen. In bis zu Dreivierteln der Fälle bestätige das Gericht eine rechte Motivation, so der »Opferperspektive«-Mitarbeiter.

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