Wichtig ist es, Gesicht zu zeigen. Interview mit Ministerin Martina Münch

Frau Münch, 1999 haben Sie den Cottbuser Aufbruch mitbegründet. Wenn Sie zurückblicken, was hat Ihre Arbeit erreicht?

Das Klima im Umgang miteinander hat sich seither gewandelt: Es gibt mehr Neugierde, Aufmerksamkeit und Toleranz füreinander. Wir haben erreicht, dass sich tausende Cottbuser gegen Rechts engagieren. Der Cottbuser Aufbruch ist nach elf Jahren zu einem starken Aktionsbündnis für gelebte Toleranz im Umgang miteinander und mit Fremden geworden. Seine Stärke liegt darin, dass er einen Querschnitt der Gesellschaft repräsentiert und ganz praktisch für sozialen Zusammenhalt sorgt.

Unserem Eindruck nach werden Punks und alternative Jugendliche in Cottbus massiv von Rechten bedrängt. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Wir beobachten generell, dass die Aktionen von Rechtsextremen 2010 in unserer Region zugenommen haben. Dabei kommt es immer wieder zu Pöbeleien und Bedrohungen gegenüber alternativen Jugendlichen oder ausländischen Studierenden. NPD und rechte Kameradschaften fühlen sich im Süden Brandenburgs offenbar stark. Hier gilt es, mit Prävention und Repression kontinuierlich Gegendruck aufrechtzuerhalten.

Wir haben es in Südbrandenburg mit einer Neonaziszene zu tun, die sogar Volksfeste für ihre Zwecke kapert – wie den Cottbuser Karnevalsumzug im Februar dieses Jahres. Was kann man dagegen tun?

Man muss informieren und aufklären, Aktionen wie beim Karnevalsumzug beim Namen nennen, die Bürger wachrütteln und Schüler- und Ausbildungsprojekte zum Thema Demokratie unterstützen. Wichtig ist es, Gesicht zu zeigen und immer wieder an die drei Leitsätze des Cottbuser Aufbruchs erinnern: gelebte Toleranz im Umgang miteinander und mit Fremden, keine Toleranz für Intoleranz, Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Vor einigen Jahren wurden die Scheiben Ihres Parteibüros eingeworfen. Was raten Sie Menschen, die von Neonazis bedroht werden, aus Ihrer eigenen Erfahrung?

Man sollte sich auf keinen Fall einschüchtern lassen. Es hat aber auch keinen Sinn, den Helden zu spielen. Entscheidend sind Vernetzung, das Organisieren praktischer Hilfe und die Hinzuziehung der Polizei. Konkret habe ich vier Ratschläge: Gewalttaten konsequent zur Anzeige bringen, Bedrohungen öffentlich machen, Opferverbände wie die Opferperspektive um Rat bitten und – speziell in Cottbus – den Cottbuser Aufbruch einschalten.

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