Potsdamer Erklärung antifaschistischer und antirassistischer Initiatiativen in Brandenburg

Auf der Tagung »Ständiger Aufstand« haben wir eine Zwischenbilanz der antifaschistischen und antirassistischen Arbeit gezogen. Wir Brandenburger Initiativen haben damit einen weiteren erfolgreichen Schritt unternommen, unsere Arbeit enger zu verknüpfen und sind in der Frage inhaltlicher Auseinandersetzung weitergekommen.

Ein ernsthaftes Engagement gegen rassistische und neofaschistische Positionen heißt für uns auch, dass alle möglichen Schritte unternommen werden, die Residenzpflicht für Flüchtlinge abzuschaffen, ihnen ein Auskommen über dem Niveau des Asylbewerberleistungsgesetzes zu ermöglichen und dass alle Sondergesetze gegen Ausländerinnen und Ausländer abgeschafft werden. Genau dieses Engagement fordern wir von der Landesregierung wie auch von allen anderen Brandenburgerinnen und Brandenburgern.

Potsdamer Erklärung

Wo Widerstand notwendig ist, herrscht Betroffenheit. Wo politisches Handeln geboten ist, wird Anstand gefordert. Mehr und mehr Menschen werden von Rassisten getötet und beharrlich wird erklärt, ihre Würde sei unantastbar. Dass Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt, wurde vernommen, nur niemand wills gewesen sein und die politisch Verantwortlichen lagern die Verantwortung aus: Alle müssen mehr Zivilcourage zeigen. Und so couragiert macht sich Deutschland den 9. November zum nationalen Ereignis.

Geschichte ist ein Selbstbedienungsladen. Und die tödliche rassistische Realität in diesem Land bekommt ein neues Etikett: tolerant und weltoffen. Geändert wird sie dadurch nicht.
Rassismus in Deutschland ist ein System von Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung.

Wesentliche Teile der Bevölkerung sympathisieren mit rassistischen Positionen. Gesetze und Verordnungen bedingen eine rassistische Praxis staatlicher Institutionen. Die neofaschistische Bewegung in Deutschland wird so bestärkt und kann sich als Vollstreckerin staatlichen und individuellen Interesses geben. Dieses Zusammenwirken schafft für Menschen, die nicht der rassistischen Vorstellung eines deutschen Erscheinungsbild entsprechen oder die keinen deutschen Pass besitzen, einen Alltag permanenter Bedrohung.

Rassismus, als ein System von Ungleichheit, wird forciert durch eine Einwanderungspolitik, die an der ökonomischen Verwertbarkeit der Menschen orientiert ist. Durch die weitere Stigmatisierung von Flüchtlingen als »unbrauchbar« wird auch ihre Ausgrenzung und Verfolgung weiter zunehmen.

Der Staat, seine Institutionen und sein Personal tragen Mitverantwortung am rassistischen Normalzustand.
Asylsuchende werden in Deutschland zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Ihnen werden nur 80 Prozent des Existenzminimums deutscher SozialhilfeempfängerInnen zugestanden.

In Brandenburg werden Flüchtlinge in der Regel in Sammelunterkünfte verbracht, die meist schon durch ihren Zustand und ihre abseitige Lage Ausgrenzung zum Alltag machen. Flüchtlinge in diesem Land werden aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Mit der sogenannten »Residenzpflicht«, die Asylsuchende zwingt, in einem Landkreis zu verbleiben, wird ihnen ihre Bewegungsfreiheit genommen. Diese Behandlung von Menschen als minderwertig entspricht rassistischen Vorurteilen und fördert sie. Ebenso die deutsche Abschottungspolitik nach außen: Ein personell und technisch hochgerüsteter Bundesgrenzschutz, der auch an der deutsch-polnischen Grenze Menschen jagt und die zum Teil gewaltsame Abschiebungen von Flüchtlingen sind die konsequente Umsetzung der rassistischen Forderung »Ausländer raus«.

Die Sozialarbeit mit rechtsextrem orientierten Jugendlichen, die eben dies vehement fordern, basiert, wenn sie denn überhaupt einem Konzept folgt, in der Regel auf einer falschen Vorstellung von Akzeptanz. Durch staatliche und kommunale Förderung werden Jugendklubs finanziert, in denen sich eine rechte Dominanzkultur entwickelt und sich jugendliche Nazis aufgrund sozialarbeiterischer Inkompetenz und mangelnder Gegenwehr organisieren können. So entstehen Räume, die der Nazi-Idee von »national befreiten Zonen« entsprechen.

Gleichzeitig kommen die Landesregierung und die Kommunen Brandenburgs nur ungenügend ihrer Selbstverpflichtung nach, demokratisch orientierte Projekte, die partizipatorische und emanzipatorische Ansätze verfolgen, zu fördern. Dagegen sind antifaschistische Jugendprojekte immer wieder von repressiven Maßnahmen betroffen.

Das reiht sich ein in die Logik des permanenten Ausbaus der Apparate Innerer Sicherheit, die in Brandenburg ihren Niederschlag durch das neue Polizeigesetz in der Videoüberwachung öffentlicher Plätze, dem polizeilichen Todesschuß und dem Aufenthaltsverbot finden sollen. Diese schwerwiegenden Einschränkungen individueller Freiheit führen zum generellen Abbau demokratischer Rechte und befördern eine autoritäre Gesellschaft. Diese Entwicklung geht einher mit einer Verpolizeilichung von Politik, die in der Hauptsache der Exekutive Kompetenz zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zuschreibt.

Aufstand der Anständigen? Ohne uns.

Wir arbeiten in antifaschistischen und antirassistischen Initiativen. Wir stehen nicht zur Verfügung, diesem Land den Anschein von »Demokratie und Toleranz« zu geben. Wir fordern ein Ende staatlicher rassistischer Politik, die Abschaffung rassistischer Gesetze und ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge! Wir sind aktiv in selbstbestimmten und selbstorganisierten Jugendprojekten. Wir brauchen weder mehr Polizei, noch sonst einen Ausbau der Sicherheitsapparate, wir brauchen andere gesellschaftliche Verhältnisse.

Verhältnisse, die von politischer, ökonomischer, sozialer Gleichberechtigung und der Teilhabe aller an politischen Entscheidungen wie am gesellschaftlichen Besitz bestimmt sind.

Antifaschistische und antirassistische Gruppen aus Brandenburg

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