Hilfe für Opfer rechter Gewalt

Potsdam – 46 000 Mark seien inzwischen schon zusammen gekommen, sagt Kay Wendel und die Überraschung ist ihm noch anzusehen. Direkt nach dem – äußerst umstrittenen – Urteil im so genannten Hetzjagdprozess von Guben Mitte November hatte Wendels Verein «Opferperspektive» einen Spendenaufruf gestartet: 40 000 Mark brauchen die Hinterbliebenen des Algeriers Farid Guendoul, der am 13. Februar 1999 von Rechtsradikalen zu Tode gehetzt wurde, um in Revision zu gehen.

«Dass so schnell so viel Geld zusammen gekommen ist, zeigt die Empörung, die das viel zu milde Urteil in der Bevölkerung ausgelöst hat», sagt Wendel. An diesem Vormittag kommt er gerade aus Potsdam, wo er eine Afrikanerin besucht hat, deren Kinder wiederholt von Rechten bedroht wurden. Später wird er noch Kontakt aufnehmen mit einem Asylbewerber in Strausberg, der dort auf dem Bahnhof angegriffen wurde. Zu tun gibt es reichlich für den Verein «Opferperspektive», der sich seit zwei Jahren um die Opfer rechter Gewalt in Brandenburg kümmert.

Dabei ist es meist der Verein, der den Kontakt aufnimmt: Über Zeitungsmeldungen, die Ausländerbeauftragten oder Partnergruppen erfährt das Team von rechten Gewalttaten und versucht, in Verbindung mit den Opfern zu treten. «In einem Büro zu sitzen und auf Anrufe zu warten, das würde nicht funktionieren», meint Wendel. «Dafür ist die Hemmschwelle bei den meisten Opfern zu groß.» «Opferperspektive» finanziert sich allein mit Spenden. Von August 1998 bis Februar 1999 förderte das Justizministerium den Verein kurzzeitig mit Lottomitteln. Der 38-jährige Politologe Wendel und ein weiteres Mitglied machen die Arbeit hauptberuflich, zwei ehrenamtliche Mitarbeiter unterstützen sie. Bundesweit ist die «Opferperspektive» der einzige Verein, der sich um die Opfer rechter Gewalttaten kümmert.

Das Team versucht, die Betroffenen bei allen wichtigen Fragen zu beraten, zum Beispiel bei juristischen: «Wir informieren die Opfer, dass sie als Nebenkläger mehr Einfluss auf das Verfahren nehmen können. Und wir suchen einen geeigneten Anwalt.» Auch bei der Verhandlung steht der Verein den Opfern bei. «Es ist oft sehr belastend für sie, vor Gericht den Tätern wieder zu begegnen. Besonders, wenn der Saal noch voll ist mit deren Freunden und Eltern.» Deshalb versuche man, Publikum zu mobilisieren, das sich mit dem Opfer solidarisch fühlt.

Wenn das Opfer psychische Schäden von dem Angriff davongetragen hat, macht sich die «Opferperspektive» auf die Suche nach einem Therapeuten. «Ein echtes Manko ist, dass das Opferentschädigungsgesetz nur für die physische, nicht für die psychische Behandlung aufkommt», sagt Wendel. Der Aufwand, um einen Therapieplatz zu ergattern, sei daher enorm. Vor allem aber nimmt der Verein Kontakt auf zu örtlichen Initiativen, Jugendklubs oder Kirchengruppen, die den Opfern zur Seite stehen. «Es soll ein Netz entstehen von Leuten, die sich engagieren und öffentlich äußern.»

118 fremdenfeindliche Straftaten zählte das Brandenburger Innenministerium im vergangenen Jahr. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Viele Ausländer fühlten sich von der Polizei ungerecht behandelt oder hätten Angst vor Racheakten, so Wendel. Zudem seien die Kriterien, nach denen die Polizei eine Straftat als fremdenfeindlich einstufe, sehr grob. «Oft werden die wahren Hintergründe zu wenig ausgeleuchtet.»

Wendel beklagt vor allem die bürokratischen Hürden, mit denen Opfer rechter Gewalt immer wieder zu kämpfen haben. «Es sollte möglich sein, den Opfern in solchen Fällen unbürokratisch und human Erleichterungen etwa zu verschaffen, etwa beim Bleiberecht.»

Der Verein konnte zum Beispiel einem Asylbewerber in Lauchhammer helfen, der 1998 von Mitgliedern einer rechtsradikalen Motorradclique zusammengeschlagen. Mit Hilfe der «Opferperspektive» erhält er einen Therapieplatz in Berlin. Sein größter Wunsch ist es, seinen Aufenthaltsort zu wechseln, da er sich nicht mehr allein auf die Straße traut. Er stellt einen «Umverteilungsantrag», der von einem Psychiater unterstützt wird. Die zuständige Behörde lehnt den Antrag jedoch ab. Erst im März 2000, zwei Jahre nach der Tat und nur mit Hilfe einer Klage vor dem Verwaltungsgericht, wird seinem Antrag endlich stattgegeben.

Ein weiteres Beispiel ist der Fall eines Algeriers, der durch Guben gehetzt worden war: Um sein daraus resultierendes Trauma behandeln zu lassen, wollte er in Deutschland bleiben. Sein Aufenthaltsantrag wurde aber abgelehnt. Die Begründung: Wegen der Traumatisierung sei er nur bedingt in der Lage, sein Leben in Deutschland zu meistern. Nach einer öffentlichen Debatte wurde dem Algerier inzwischen eine zweijährige Aufenthaltsbefugnis erteilt.

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