Offener Brief zu rechter Gewalt in Frankfurt (Oder)

Sehr geehrte Damen und Herren,

dem Verein Opferperspektive e.V. sind in Frankfurt (Oder) bis zum 31. Juli 2016 zehn gewalttätige Angriffe
bekannt geworden, die auf einer rechten Tatmotivation beruhen. Im Anhang dieses Schreibens finden Sie eine Auflistung   sowie   eine   kurze   Beschreibung   dieser   Taten.   Fünf   dieser   Angriffe   müssen   als   schwerwiegend bewertet werden, weil den Betroffenen schwere Verletzungen zugefügt wurden oder diese Taten aus einer größeren Tätergruppe heraus begangen wurden. Mehrere Taten ereigneten sich tagsüber bzw. in den frühen Abendstunden und im Stadtzentrum.  Die Zahl rechter Angriffe in Frankfurt (Oder) erfüllt uns mit großer Sorge, übersteigt sie doch schon jetzt die Zahl der bekannt gewordenen Angriffe aus dem Vorjahr.

Nach unserer Einschätzung wird diese Entwicklung in Frankfurt (Oder) kaum wahrgenommen oder werden
angemessene Reaktionen diskutiert. Allein im Zusammenhang mit dem bundesweit bekannt geworden Angriff am  23.  Juni 2016  gab es  nennenswerte   öffentliche  Reaktionen,   die  sich  jedoch darauf  beschränkten,   das Ansehen der Stadt zu verteidigen und auf Polizei und Justiz zu verweisen.

Von den Betroffenen und vielen anderen Menschen aus Frankfurt (Oder) wissen wir, dass sie die Situation
mittlerweile   als   sehr   bedrohlich   empfinden.   Für   sie   hat   sich   das   Motto   des   „Freundlichen   Frankfurt“   ins Gegenteil   verkehrt.   Es   kann   daher   nicht   nur   darum   gehen,   auf   eine   Ermittlung   und   Aburteilung   der Täter_innen   zu   setzen,   sondern   es   müssen   in   der   Stadt   Wege   gefunden   werden,   wie   rechter   Gewalt, rassistischen Pöbeleien und einem Klima  der Angst und Verunsicherung unter den Gruppen (potentieller) Betroffener wirksam begegnet werden kann.

In unserer langjährigen Beratungspraxis hat sich immer wieder die Erfahrung gezeigt, dass eine öffentliche
Ächtung der Taten, soziale Sanktionen gegen die Täter_innen und das sie unterstützende Umfeld und eine
Solidarisierung mit den Betroffenen wirksame Mittel sind, um rechte Gewalt und deren Auswirkungen zu
bekämpfen.

Rechte Gewalttaten können nicht nur als Angriff gegen Einzelne interpretiert, sondern müssen immer auch als Botschaftstaten   verstanden   werden,   die   sich   gegen   ganze   Betroffenengruppen   richten.   Deshalb   müssen Betroffene und potentiell Betroffene rechter Gewalt erleben, dass sie mit den Taten und ihren unmittelbaren und mittelbaren Folgen nicht allein gelassen werden, dass die gesellschaftliche Solidarität ihnen und nicht den Täter_innen gilt. Deshalb müssen Täter_innen und deren Umfeld erleben, dass sie sich mit ihren Taten ins gesellschaftliche Abseits stellen, dass sie bekannt sind und beobachtet werden. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen, Organisationen und Institutionen der Stadt sich nicht nur einmalig zu rechten Angriffen in ihrer Stadt verhalten, sondern sich für eine Wandlung des Klimas stark machen, das solche Taten möglich macht oder sie zumindest begünstigt.

Wir wenden uns mit diesem Schreiben an Sie und andere Akteur_innen der Stadt, um Sie zu bitten, sich
persönlich dafür einzusetzen, dass rechte Gewalt in der Frankfurter Bürgerschaft und Kommunalpolitik in
einem deutlich stärkeren Umfange thematisiert wird und Prozesse initiiert werden, die den oben skizzierten
Zielen dienlich sind. Aus unserer langjährigen Praxis wissen wir, dass rechte Gewalt durch ein entsprechendes Engagement   vor   Ort   wirksam   bekämpft   werden   kann.   Der   Verein Opferperspektive   ist   selbstverständlich bereit, seine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

für die Opferperspektive e.V.

Hannes Püschel

Im Anhang finden Sie eine Liste der im Jahr 2016 in Frankfurt (Oder) von der Opferperspektive registrierten Angriffe: Fallliste_FFO_2016

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