Das Bier, die Diskothek, der Mob. Niedrige Strafen für die Täter

An diesem Abend im November trafen sie sich in der Wohnung einesstadtbekannten Neonazis. Gemeinsam ging es zunächst in die Diskothek »Rockbahnhof«, um dort das ein oder andere Bier zu trinken. Doch das genügte der Gruppe junger Männer und Frauen nicht: Man wollte »Linke klatschen« oder – wenn man keine findet – »irgendwelche Ausländer«. Auf der Suche nach potenziellen Opfern geht es weiter zum »Las Vegas«. Hier sind die Türen geschlossen, die Gruppe schwenkt daher um in Richtung »Hüttengasthof«. Mittlerweile sind es etwa 50 Personen. Nur sechs von ihnen mussten sich später vor Gericht verantworten. Gegen 20 weitere Personen wurde zwar ermittelt, Anklagen erfolgten jedoch in keinem der Fälle.

Kein Mord, kein Totschlag – nur eine »jugendtypische Verfehlung«

Nach dieser Nacht, in deren Folge Amadeu Antonio starb, dauerte es eineinhalb Jahre, bis die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen abgeschlossen hatte. Vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) mussten sich zunächst fünf Angeklagte verantworten: Sven B., Marek J., Ronny J., Steff en H. und Gordon K. Kai-Nando B., neben seinem Bruder Sven der zweite Hauptverdächtige, blieb zunächst fl üchtig. Die beiden Brüder waren zu dieser Zeit im Umfeld der neonazistischen »Nationalistischen Front« aktiv. Der Prozess dauerte zwei Monate. Die entscheidende Wende kam erst am letzten Verhandlungstag. Kai-Nando B. war in Stuttgart verhaftet worden, sagte vor Gericht aus und belastete drei der Angeklagten schwer.

Der Frankfurter Richter wertete den tödlichen Überfall als »jugendtypische Verfehlung«. Für ihn handelte es sich um ein »Ritual mit Gruppendynamik«. Entsprechend niedrig fielen die Strafen aus. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Marek J., Steffen H. und Gordon K. an den tödlichen Schlägen und Tritten beteiligt waren, und verurteilte sie wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu jeweils vier Jahren Jugendstrafe. Ronny J. gab zu, Amadeu Antonio geschlagen zu haben, er habe sich dann jedoch von dem Opfer abgewandt. Das Gericht glaubte seinen Ausführungen und verurteilte ihn zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung. Der eigentliche Hauptverdächtige, Sven B., konnte dem Richter glaubhaft machen, nicht an der Ermordung beteiligt gewesen zu sein. Er gab jedoch zu, einen der anderen Tatopfer schwer verletzt zu haben. Dafür erhielt er eine dreieinhalbjährige Jugendstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Beleidigung und Nötigung. Das Verfahren gegen Kai-Nando B. wurde von diesem Prozess abgetrennt. Er wurde im Mai 1993 zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Auch gegen die drei Zivilpolizisten, die Tatzeugen waren und nicht eingegriffen hatten, wurde zunächst ermittelt. 1994 entschied das Oberlandesgericht Brandenburg/Havel jedoch, dass die Zivilfahnder sich nicht vor Gericht verantworten müssen. Die Beamten hätten die Tat zwar beobachtet, sich jedoch nicht in unmittelbarer Nähe des Tatorts befunden.

Aktuelles