Gestrichen

Er steht ohne Gelder kurz vor dem Aus. KLARTEXT fragt, wie das mit den Absichten der Landesregierung zu vereinbaren ist.

Schikane, Benachteiligungen, offene Gewalt. Viele Ausländer haben wie Manuel Barros das Gefühl, bei uns nicht erwünscht zu sein. Brandenburgs Innenminister Schönbohm machte es heute amtlich: die Zahl der ausländerfeindlichen Übergriffe ist auf einen neuen Rekord gestiegen. Umso verwunderlicher, dass die Landesregierung ausgerechnet bei den Maßnahmen gegen Rechtsextremismus den Rotstift ansetzt. Viele Initiativen sind davon betroffen, auch der Verein Opferperspektive – der erste seiner Art im Osten Deutschlands. Deshalb bekommt er auch Geld vom Bund. Noch! Denn durch die Ignoranz der Landesregierung ist auch die Bundeshilfe in Gefahr. Warum, das erzählt Ihnen Beate Tyron.

Oscar wurde überfallen und mit einer zerschlagenen Flasche lebensgefährlich am Hals verletzt. Der Täter kommt aus Brandenburg an der Havel. Sein Motiv – Ausländerhass. Vor Gericht tritt Oscar seinem Angreifer gegenüber – nicht mehr nur als Opfer, sondern als Nebenkläger. Zu verdanken hat er das vor allem dem Verein Opferperspektive. Olga Schnell arbeitet für die Opferperspektive. Sie betreut Oscar seit dem Überfall im Sommer letzten Jahres. Immer wieder kommt sie nach Brandenburg/Havel, unterstützt Oscar bei Behördengängen und hilft ihm, das Erlebte zu verarbeiten.

Olga Schnell, Opferperspektive e.V.

»Also wir vermitteln an einen Therapeuten, an Juristen und wir sind aber immer wieder durch die permanente Ansprechbarkeit für die Betroffenen relativ wichtig und eine Kontaktperson.«

Der Verein macht das, wovon Brandenburgs Politiker gern reden: dem Rechtsextremismus etwas entgegensetzen. Die Opfer aus der Isolation herausholen, zeigen, dass die Gesellschaft Verantwortung übernimmt.

Oscar M., Opfer

»Sie tun ihr bestes, damit ich mich nicht allein fühle. Sie wollen, dass ich über diesen Angriff hinweg komme, dass ich nicht jeden Tag an diesen Angriff denken muss.«

Für diese Opferbetreuung will das Land jetzt kein Geld mehr ausgeben. Ratlosigkeit im Potsdamer Büro der Opferperspektive. Das Justizministerium hat dem Verein vorerst die Gelder komplett gestrichen. Gelder, die unbedingt notwendig sind, damit zusätzliche Mittel des Bundes für die Opferperspektive fließen können. Dem Verein droht das Aus.

Judith Porath, Opferperspektive e.V.

»Im Fall der Opferperspektive geht es nicht um hohe Summen. Wir wollen als Kofinanzierung 45.000 Euro haben. Wir bekommen vom Bund 200.000 Euro. Das heißt, wir bringen 200.000 Euro Bundesmittel ins Land. Und die Landesregierung muss einfach nur einen kleinen Beitrag leisten, und da geht es natürlich um das politische Wollen.«

Besonders pikant: Eben jenes Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus, das das Land nun nicht mehr mitfinanzieren will, wurde überhaupt erst nach dem Vorbild der Brandenburger Opferperspektive ins Leben gerufen. In knappen Zeilen teilt die Justizministerin mit: es wird wohl »keine Mittel« für derlei »freiwillige Aufgaben« geben. Die Unterstützung eines Vereins, der Opfer rechter Gewalt betreut – eine freiwillige Aufgabe?

Beate Blechinger (CDU), Justizministerin Brandenburg

»…sicherlich ist sie ein anerkannter Träger, aber es gibt auch andere Vereine, die anerkannte Träger sind und gute Arbeit in diesem Bereich leisten.«

Die Opferperspektive aber sind die einzigen in Brandenburg, die sich ausdrücklich für Opfer rechter Gewalt einsetzen. Mehrfach wurden sie dafür ausgezeichnet. In der Vereinbarung der beiden Regierungsparteien SPD und CDU heißt es:

»Die Koalition wir ihr Bemühen verstärken, den Rechtsextremismus im öffentlichen Raum zurückzudrängen. Sie unterstützt gesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit richten…«

Die Opferperspektive ist eine solche Initiative – und darüber hinaus bundesweit anerkannt.

Dominique John, Opferperspektive e.V.

»Das politische Signal ist eindeutig, dass sie die Relevanz dieser Arbeit nicht erkannt haben. Sie haben nicht erkannt, was sich hier in diesem Land eigentlich abgespielt hat, wie sehr Rechtsextremisten hier auch verankert sind und was es für Schritte bedarf, dies zurück zu drängen. Und es bedarf nicht nur der Auseinandersetzung im Parlament mit der DVU, man muss das auf die Strasse tragen, man muss in die Kommunen rein, man muss die Opfer und Betroffenen unterstützen und man muss Gegenstrukturen aufbauen.«

Judith Porath, Opferperspektive e.V.

»Und das heißt einfach, dass ein Großteil dieser Projektlandschaft kaputt gehen wird in den nächsten Jahren, wenn die Landesregierung sich aus ihrer Verantwortung stiehlt.«

Dass die Unterstützung solcher Projekte weniger mit Haushaltsproblemen zu tun hat, sondern eher mit politischen Prioritäten, zeigt der Blick nach Berlin. Auch hier ist die finanzielle Lage insgesamt nicht gerade rosig. Trotzdem macht der Senat für die Beratung von Opfern rechter Gewalt Landesmittel locker. Mit 135.000 Euro sogar das Dreifache von der Summe, um die es in Brandenburg jetzt geht.

Günter Piening (B90/Grüne), Integrationsbeauftragter Senat Berlin

»Häufig wird in den ganzen Diskussionen eben vergessen, dass wir Opfer haben, die keine Beschwerdemacht haben, die schwerst traumatisiert sind, die Unterstützung brauchen, die Behandlung brauchen. Und darum haben wir in Berlin gesagt – auch nach Gesprächen mit Evaluatoren und Wissenschaftlern – das ist ganz zentral für unser Programm. Und deswegen ist die Förderung dieses Vereins auch einer der Kernpunkte des Programms gegen Rechtsextremismus.«

Die Sparpläne der Brandenburger Regierung beim Kampf gegen Rechtsextremismus haben jetzt auch das Parlament erreicht. Hier könnten die Kürzungen noch verhindert werden.

Dagmar Enkelmann (PDS), Fraktionsvorsitzende

»45.000 Euro, die werden wir im Haushalt finden, unter Garantie. Und dann werden sich die anderen verhalten müssen dazu.«

Und selbst im Lager der Regierungsparteien regt sich Widerstand.

Sylvia Lehmann (SPD), Sozial- und Jugendpolitische Sprecherin

»Wenn wir denn in der Tat dem Rechtsextremismus den Kampf angesagt haben und das haben wir, dann sollten solche Positionen nicht zur Disposition stehen, weil ich meine, dann machen wir uns den Wählerinnen und Wählern gegenüber unglaubwürdig.«

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