Die Bedeutung von Antidiskriminierungsberatungsstellen


Nadja Abdelhamid auf dem Podium im Rahmen des 25. Jubiläums der Opferperspektive © Presseservice Rathenow / Opferperspektive

Nadja Abdelhamid ist Diplom-Politologin und hat einen Master in Sozialmanagement. Sie hat die ADB 2009 mit aufgebaut und ist heute eine der Vorständinnen des Opferperspektive e.V.


Warum sind Antidiskriminierungsberatungsstellen wichtig?

Antidiskriminierungsberatungsstellen sind eine notwendige Antwort auf die weit verbreitete Diskriminierung, die in unserer Gesellschaft stattfindet. Sie sind das Ergebnis langjähriger politischer Kämpfe von Minderheiten um Sichtbarwerden und Anerkennung: Anerkennung, dass sie in dieser Gesellschaft nicht das gleiche Recht auf Unversehrtheit ihrer Würde genießen und dass sie privat, beruflich, durch Behörden, in der Schule und an vielen anderen Stellen in ihrer freien Entfaltung und ihren Rechten beschnitten werden. Antidiskriminierungsarbeit ist daher das gezielte Vorgehen gegen die Verleugnung von Diskriminierung in unserer Gesellschaft und der Versuch, sie sichtbar zu machen.

Ist es schwer, Diskriminierung in der Gesellschaft sichtbar zu machen?

Rassismus und Diskriminierung bleiben oft für diejenigen unsichtbar, die nicht direkt davon betroffen sind. Dies ist eine Barriere, die selbst Antidiskriminierungsstellen nicht einfach auflösen können. Aber diese Stellen spielen dennoch eine entscheidende Rolle, indem sie individuelle Fälle öffentlich machen, die wiederum Muster offenlegen. Sie tragen damit zur Aufdeckung von Situationen bei, in denen Diskriminierung geschieht. Nur wenn diese Situationen in der Gesellschaft beleuchtet werden, können Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung ergriffen werden.

Wie stärken Beratungsstellen die Betroffenen und ihr Umfeld?

Der Weg in eine Antidiskriminierungsberatung kann sowohl das Ergebnis von Empowerment für Betroffene sein als auch der Anfang dieses Prozesses. Jeder Fall, in dem eine Antidiskriminierungsstelle aktiv wird, stärkt die betroffene Person und strahlt auf deren Umfeld aus. Dies führt dazu, dass die Betroffenen selbstbewusster werden und für ihre Rechte eintreten.

Wie tragen diese Stellen zur Veränderung diskriminierender Praktiken bei?

Jede Intervention durch eine Antidiskriminierungsstelle setzt die diskriminierende Stelle unter Druck, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und ihre Praktiken zu ändern. Und jeder einzelne Fall trägt zur Rechtsentwicklung bei.

Was braucht eine Gesellschaft, um offener und gerechter zu werden?

Ein staatlich gefördertes bundesweites Netz von Antidiskriminierungsberatungsstellen ist entscheidend für eine Gesellschaft, die die Verwirklichung gleicher Rechte und Chancen ernst nimmt. Es ist ein wichtiger Schritt, um Diskriminierung in all ihren Formen zu bekämpfen und eine inklusive und gerechte Gesellschaft zu fördern.

Leider führt u. a. auch der große Erfolg der bundesweiten Antidiskriminierungsbewegung von BPoC (Black & People of Color) und anderen Betroffenengruppen, die heute selbstbewusster Gehör einfordern, dazu, dass Menschen mit rassistischen, antisemitischen und anderen diskriminierenden Ansichten ebenfalls stärker in Erscheinung treten. Rechte Strukturen nutzen geschickt die öffentliche Debatte und ihre rechten Schlagworte, wie “Genderwahn”, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber: Je mehr Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und weitere Diskriminierungsformen in unserer Gesellschaft sichtbar werden, desto mehr sind diese auch wichtige Weckrufe.

Wie können Antidiskriminierungsstellen dazu beitragen, rechten Strukturen in der Gesellschaft entgegenzuwirken?

Die Zunahme von rechten Strukturen in der Gesellschaft ist besorgniserregend. Antidiskriminierungsberatungsstellen tragen dazu bei, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen sichtbar zu machen. Mehr Sichtbarkeit erfordert mehr unmissverständliche Gegenpositionierung jedes und jeder Einzelnen und ein hartes Handeln von Politik, Strafverfolgungsbehörden, aber auch Entscheidungstragenden in Wirtschaft, Schulen, Sport, Kultur und Institutionen. Und dabei ist jetzt Schnelligkeit geboten angesichts der sich national und europaweit auf allen Ebenen ausbreitenden rechten Strukturen.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Diskriminierung und rechter Gewalt?

Diskriminierung und rechte Gewalt sind zwei Erscheinungsformen von Gewalt. Diskriminierung ist der Rahmen, in dem es zu Gewalt kommt. Nur wenn Diskriminierung und rechte Gewalt gleichermaßen bekämpft werden, kann der Kampf gegen Rechts erfolgreich sein.


Dieser Beitrag ist in der Dezemberausgabe 2023 der Schattenberichte erschienen.

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