Opfer rechter Gewalt geraten schon wieder aus dem Blick der Bundespolitik

Die Zahl rassistischer Gewalt ist laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im vergangenen Jahr um über 20 Prozent gestiegen, dies geht aus dem am Mittwoch letzter Woche vorgestellten Verfassungsschutzbericht des Bundes vor.Die Einschätzung einer massiven Zunahme von rassistisch motivierten Angriffen wird von den Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt geteilt. Die Experten der Opferberatungsstellen kommen jedoch auf eine wesentlich höhere Zahl rechter Gewaltstraftaten.

Allein in den fünf neuen Bundesländern und Berlin wurden im vergangen Jahr 737 rechte Angriffe mit 1086 Betroffenen gezählt. Für Westdeutschland liegen keine unabhängigen Zahlen vor. Eine systematische Dokumentation über rechte Gewalt in Westdeutschland ist aufgrund der wenigen und völlig unzureichend ausgestatteten Beratungsstellen nicht möglich. Das Bundesinnenministerium geht lediglich von 801 Gewalttaten im gesamten Bundesgebiet aus.

Anstatt der versprochenen Aufklärung zu den NSU-Morden und Anschlägen, wurden bisher nur die Behörden gestärkt, die für das Aufklärungsdesaster um die Mordserie und Mordversuche des NSU maßgeblich verantwortlich sind. Die Unterstützung von Opfer rechter Gewalt gerät schon wieder aus dem Blick. Noch im Februar hatte der Deutsche Bundestag einhellig die Empfehlungen des NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss bekräftigt, in denen dringend mehr Geld für die Beratung von Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt empfohlen wurde. »Dieses Engagement muss unterstützt, ausreichend gefördert, ausgebaut und verstetigt werden.« heißt es im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses. Zuvor hatte CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt; »Die bestehenden Programme werden langfristig finanziell sichergestellt und auf bundesgesetzlicher Grundlage (…) weiterentwickelt. (…) Die Haushaltsmittel stocken wir auf.« Der Bundesetat für die Arbeit gegen Rechtsextremismus muss auf mindestens 70 Millionen erhöht werden, so die Forderung von Experten aus der Praxis, erst dann könnten auch in Westdeutschland bedarfsgerechte und verlässliche Opferberatungsstellen aufgebaut werden. Dieser Ausbau darf nach Ansicht der Opferperspektive Brandenburg keinesfalls zu Lasten der professionell, effektiv und positiv evaluierten Opferberatung in Ostdeutschland und Berlin gehen. Von der Aufstockung der Mittel ist heute keine Rede mehr.

Die chronische Unterfinanzierung der Beratung für Betroffene rechter Gewalt bleibt so weiter bestehen. Es wird zwar ab 2015 ein neues Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus geben, das Budget wird aber nicht aufgestockt. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) kündigte in der vergangenen Woche an, welche Schwerpunkte sie ab 2015 setzen will. Von der dringend notwendigen bedarfsgerechten Unterstützung für die
Opfer von Rechten und Rassisten ist dabei nicht mehr die Rede. Sie geraten schon wieder aus dem Blick.

Der Verein Opferperspektive, der vor über 16 Jahres das Konzept für die Beratung von Opfern rechter Gewalt entwickelt hat, sieht dringenden Handlungsbedarf. »Werden im nächsten Jahr nicht mehr Gelder für die Beratung von Betroffenen rechter Gewalt vom Bund zu Verfügung gestellt, können in Westdeutschland keine professionell arbeitenden Opferberatungsstellen aufgebaut werden« sagt Judith Porath vom Verein Opferperspektive. »Die Opfer werden vor allem in Westdeutschland weiter alleine gelassen, weil die Bundesregierung ihre Versprechen zu Helfen nicht einhält.«

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