Grenzen und Möglichkeiten einer Zivilklage

Wurden Imbissbetreiber bei einem Angriff verletzt, so können sie als Nebenkläger im Strafverfahren gegen die Täter auftreten und sich durch einen Anwalt vertreten lassen. Dies ist aus mehreren Gründen angeraten. So werden sie über den Stand der Ermittlungen informiert, erhalten über ihren Anwalt Akteneinsicht und werden rechtzeitig über die Terminierung des Strafprozesses in Kenntnis gesetzt. Darüber hinaus können sie als Nebenkläger ihre eigenen Interessen in das Verfahren einbringen und sind nicht auf die Zeugenrolle reduziert. Sollte bei dem Angriff auch Sachschaden entstanden sein, könnte in diesem Fall die Forderung nach Schadensersatz und Wiedergutmachung auch in einem so genannten Adhäsionsverfahren im Rahmen des Strafprozesses verhandelt werden. Kam es bei dem Angriff nur zu Sachschäden, so bleibt dem Betroffenen nur der Weg, auf zivilrechtlichem Weg mittels Zivilklage gegen die Täter vorzugehen. Was zu beachten ist und welche Erfolgsaussichten bestehen, darüber gibt in folgendem Interview der Berliner Rechtsanwalt Klaus Piegeler Auskunft.

»In der Praxis wird man in vielen Fällen von einer Zivilklage abraten.«

Für Opfer rechter Gewalttaten besteht die Möglichkeit,über den Härtefall-Fonds für Opfer rechter Gewalt bei der Bundesanwaltschaft Entschädigung zu erhalten. Können sich hierhin auch geschädigte Imbissbetreiber wenden?

Der Fonds der Bundesanwaltschaft ist beschränkt auf Körperschäden. Da die Imbisse in der Regel nachts angegriffen werden, ohne dass es – glücklicherweise, muss man sagen – zu Verletzungen der Inhaber oder anderer Personen kommt, greift dieser Fonds in den meisten Fällen nicht. Den Betroffenen bleibt deshalb nur, zivilrechtlich eine Klage auf Schadensersatz zu erheben. Leider gibt es in diesen Fällen keine unbürokratische Hilfe für die Opfer. Schnelle Hilfe könnte lediglich durch die öffentliche Hand im Wege der Opferentschädigung geleistet werden oder durch private Initiativen, die Spendengelder zur Verfügung stellen – auf dem Gerichtsweg ist eine kurzfristige Hilfe jedenfalls nicht zu erreichen.

Gibt es Fonds der öffentlichen Hand, die in solchen Fällen in Anspruch genommen werden können?

Bislang nicht. Angesichts des Ausmaßes dieser Anschläge und ihres rechten Hintergrunds wäre die Einrichtung eines solches Fonds aber sicherlich sinnvoll.

Was sind die Voraussetzungen für eine Zivilklage? Was muss ein Geschädigter hierbei beachten? Müssen zum Beispiel die Täter bereits verurteilt sein?

Nein, die Täter müssen nicht verurteilt sein. Straf- und Zivilverfahren sind zwei völlig voneinander getrennte Verfahren. Dennoch steht üblicherweise das Strafverfahren am Anfang. Solange die Täter noch nicht verurteilt sind, wird man in der Regel mit einer zivilrechtlichen Klage warten, da man im Zivilprozess die Verursachung der Tat durch einzelne Täter nachweisen muss.

Was beinhaltet eine Zivilklage?

Mit der Zivilklage wird Schadensersatz und, soweit es zu Verletzungen gekommen ist, auch Schmerzensgeld geltend gemacht. Neben der Tatverursachung durch die konkret benannten Personen muss das Opfer die Höhe seines entstandenen Schadens nachweisen. Hier fangen die ersten Probleme an, denn es gibt keine allgemein gültigen Formeln zur Berechnung der Schadenshöhe. Ohne die Hinzuziehung eines Sachverständigen kommt man deshalb in der Regel nicht weiter. Auch wenn es keine formale Verpflichtung ist, wird man in der Praxis durch Rechnungen, Quittungen und andere Kaufbelege nachweisen müssen, welchen Schaden man erlitten hat. In einem zweiten Schritt wird dann aus dem Neuwert der Zeitwert ermittelt. Das Gericht wird diese Berechnungen dann überprüfen und möglicherweise durch eine gerichtseigene Rechnung ersetzen. Man kann auch ohne solche Unterlagen eine Klage einreichen. Dann muss aber durch einen Sachverständigen anhand einer Begehung und Schätzung die Schadenshöhe ermittelt werden.

Wer trägt die Kosten für solche Gutachten?

Die Gutachtenkosten muss man selbst verauslagen. Soweit sie erforderlich waren, um den Schaden zu beziffern, kann man sie später mit einklagen. Wir kennen das aus dem Verkehrsrecht. Hier ist es üblich geworden, einen Unfall zunächst einmal gutachterlich untersuchen zu lassen. Dieses Procedere ist im Verkehrsrecht relativ unproblematisch, weil es durch die Versicherung gedeckt ist. Wo es keine Versicherung gibt, die die Kosten übernimmt, ist das aber ein
größeres Problem, weil man am Ende einer erfolgreichen Zivilklage lediglich einen Titel gegen die Täter bekommt, von dem man nicht weiß, ob man ihn jemals vollstrecken kann. Mit anderen Worten: Man läuft Gefahr, dass die Kosten des Gutachters letztlich an einem hängen bleiben, man also den eigenen Schaden noch vergrößert, da von dem Täter das Geld nicht zu bekommen ist. Das ist das Dilemma jeder Zivilklage.

Ist die Behandlung zivilrechtlicher Ansprüche auch im Rahmen eines Strafverfahrens möglich?

Das ist im so genannten Adhäsionsverfahren möglich. Das Adhäsionsverfahren bietet den Vorteil, dass die Verursachung der Tat bereits feststeht, weil sie Voraussetzung des Strafausspruchs ist, und daraus relativ leicht die zivilrechtliche Verantwortlichkeit und Haftbarkeit der Täter gefolgert werden kann, aber ansonsten gelten die gleichen Bedingungen wie im Zivilverfahren. Im Jugendstrafrecht ist das Adhäsionsverfahren allerdings grundsätzlich ausgeschlossen, auch wenn viele Täter in diesen Fällen Jugendliche sind.

Können Entschädigungszahlungen nicht auch als Bewährungsauflagen verhängt werden?

Ja, das ist möglich. Es wird davon teilweise auch Gebrauch gemacht – zumindest wenn es um Schmerzensgeld geht. Das ist eine Möglichkeit, die die Strafrichter aus meiner Sicht im Sinne einer Opferentschädigung viel öfter in Betracht ziehen sollten. Allerdings wird das in Fällen, wo es um Schadensersatz geht, keine wirkliche Lösung sein, da die Richter auch hier den entstandenen Schaden überprüfen müssten, um die Schadenssumme nicht willkürlich festzusetzen. Man könnte jedoch daran denken, von einem Mindestbetrag auszugehen und ihn mit einer Bewährungsauflage zu verbinden. Das wäre sinnvoll, denn eine solche Bewährungsauflage ist für viele Täter eine wesentlich höhere Motivation für den Schaden aufzukommen als ein zivilrechtlicher Titel.

Mit welchen Gerichtskosten ist bei einer Zivilklage zu rechnen?

Grundsätzlich gibt es auch für Gewerbetreibende die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu erhalten. Allerdings ist die Einkommensermittlung bei Selbständigen schwierig, zumal viele Imbissbetreiber über keine regelmäßigen Buchführungsunterlagen verfügen. Die Gerichte verlangen in aller Regel aktuelle Steuerbescheide und unter Umständen auch noch aktuellere betriebswirtschaftliche Auswertungen, die zumeist nicht vorliegen und erst erstellt werden müssen. Die Gerichtskosten richten sich nach dem Streitwert. Bei einer Schadenssumme von 1.000 Euro ist das ein Betrag von 165 Euro. Bei 5.000 Euro liegt der Betrag schon bei 363 Euro. Bei einem Streitwert von 10.000 Euro sind es dann schon 588 Euro. Diese Beträge müssen als Vorschuss bei Gericht eingezahlt werden, damit die Klage überhaupt zugestellt wird. Lediglich wenn Prozesskostenhilfe bewilligt ist, ist man davon befreit. Zu den Kosten kommen dann noch Anwaltskosten sowie Gutachterkosten oder Zeugengebühren hinzu, die derjenige als Vorschuss einzahlen muss, der eine bestimmte Tatsache zu beweisen hat. Das kann möglicherweise auch der Prozessgegner sein, aber in der Regel wird es das Opfer sein, der seinen Schaden und die Schadensverursachung beweisen muss.

Es scheint fast so, dass einem Opfer mit einer Zivilklage nicht unbedingt geholfen ist?

Das ist in vielen Fällen sicherlich richtig. Man hat eine längere Verfahrensdauer in Kauf zu nehmen, man hat ein eigenes finanzielles Risiko, und man hat – selbst wenn man gewinnt – das Risiko der Vollstreckung, ganz zu schweigen von dem allgemeinen Prozessrisiko, dass man eventuell einen Nachweis zur Schadensverursachung oder zur Schadenshöhe nicht führen kann und deshalb den Prozess verliert. In all diesen Fällen werden Kosten entstehen, die man nicht ersetzt bekommt. Auch kann bei einer Verbesserung der finanziellen Situation innerhalb von fünf Jahren die Prozesskostenhilfe zurückgefordert werden, und im schlimmsten Fall muss man auch die Gerichtskosten übernehmen, obwohl der Täter dafür aufkommen müsste, er aber dazu nicht in der Lage ist.

Besteht aus ihrer Sicht Handlungsbedarf, solchen Betroffenen jenseits der Zivilklage Hilfe zukommen zu lassen?

Das ist meines Erachtens dringend notwendig. Durch zivilrechtliche Schadensersatzklagen ist den Betroffen nicht geholfen. Zwar gibt es ein Entschädigungsgesetz für Opfer von Gewalttaten, doch es sollte dringend darüber nachgedacht werden, dessen Regelungen auch auf Schadensersatzforderungen wie in den Fällen der Angriffe auf Imbisse auszudehnen, damit auch hier die öffentliche Hand eintritt und Forderungen gegen die Täter durchsetzt. Man darf die Täter nicht ungeschoren davonkommen lassen. Insofern ist es ganz allgemein sinnvoll, seine Ansprüche trotz aller Risiken zivilrechtlich zu verfolgen, um die Täter zu zwingen, den Schaden zu kompensieren, aber – hier muss man realistisch sein – das kann das Opfer oftmals selbst nicht leisten. In der Praxis wird man deshalb von einer Zivilklage abraten müssen, weil das Risiko zu hoch ist und die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Unter diesen Umständen wäre ein Einspringen der öffentlichen Hand, die diese Ansprüche auch langfristig verfolgen und die Schadensregulierung vorfinanzieren kann, eine sinnvolle Lösung.

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