Rechtsextremismus in Brandenburg – Einblicke vor Ort

TeilnehmerInnen des Mobilen Fachtags vor dem rechtsextremen Geschäft in Wittstock (Foto: Aktionsbündnis)
TeilnehmerInnen des Mobilen Fachtags vor dem rechtsextremen Geschäft in Wittstock (Foto: Aktionsbündnis) Source:

Die TeilnehmerInnen sollten sich in direkten Gesprächen ein Bild davon machen können, wie Bürgerinitiativen, Vereine und kommunale Verwaltungen, die Strafverfolgungs- behörden die Entwicklung des Rechtsextremismus wahrnehmen – und was sie dagegen tun. 42 Abgeordnete, JournalistInnen, VertreterInnen von Verbänden und Institutionen folgten dieser Einladung.

Mit einem Reisebus fuhren sie aus der Landeshauptstadt in den Landkreis Ostprignitz-Ruppin, eine der ländlich geprägten Regionen Ostdeutschlands, die mit schwerwiegenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Dass sich rechtsextreme Einstellungen und Strukturen vor diesem Hintergrund stärker ausbreiten und verfestigen als in den städtischen, wirtschaftlich stärkeren Gebieten, wurde bei den drei Stationen des Fachtages eindrücklich vermittelt.

Beim Besuch der Staatsanwaltschaft in Neuruppin wurde deutlich, dass sich rechtsextreme Gewalttäter zunehmend offen zu ihrer Gesinnung bekennen und direkt nach der Haftentlassung weitere Straftaten begehen. Der Verfolgungsdruck durch Sondereinheiten und Sonderdezernate auf die rechtsextreme Szene sei hoch, dies könne aber das gesellschaftliche Problem nicht lösen – dieses Fazit gaben die Strafverfolger den Teilnehmenden mit auf den Weg nach Rheinsberg. In dem Fremdenverkehrsort, in dem immer wieder Anschläge gegen ausländische Gewerbetreibende verübt wurden, hat sich die Stadtverwaltung dieser Aufgabe gestellt. Sie will mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger langfristig an einem demokratischen Gemeinwesen arbeiten; der Bürgermeister unterstrich zugleich, dass die soziale Desintegration in der Kommune ein solches Vorhaben untergräbt. Auch im benachbarten Wittstock waren es zunächst die Institutionen, die Bürgerinnen und Bürger zum Widerstand riefen. Eindringlich schilderten die Mitglieder des inzwischen eigenständigen Bürgerbündnisses, wie sie in täglicher Kleinarbeit für Demokratie und Menschenrechte eintreten, während organisierte Neonazis die gesamte Region mit Propaganda überziehen, einen Sitz im Stadtrat bekleiden und ein Ladengeschäft in bester Lage betreiben.

Die hier dokumentierten Beiträge beleuchten, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, einzelne Aspekte einer voranschreitenden Verflechtung des Rechtsextremismus mit der Alltagskultur in ländlichen Regionen Ostdeutschlands. Dieser Entwicklung entgegen zu wirken, ist eine zentrale Herausforderung – in diesem Punkt waren sich die VertreterInnen von Bürgerinitiativen, Strafverfolgungsbehörden und Kommunen einig.

Rechtsextremismus fängt im Alltag an Die sozialräumliche Durchdringungstaktik des organisierten Rechtsextremismus. Von David Begrich

»Nationale Jugendarbeit« Das Beispiel Neuruppin. Von Christoph Schulze

Die »Bewegung Neue Ordnung« Eine Neonazi-Organisation aus dem Nordwesten Brandenburgs. Von Beate Selders

Demokratiefeindliche Bestrebungen konsequent bekämpfen Grußwort von Beate Blechinger, Ministerin der Justiz des Landes Brandenburg

Die Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten Vortrag von Gerd Schnittcher, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Neuruppin

R.W. – Ein »Unbelehrbarer« Beispiel einer rechtsextremen Karriere. Von Lolita Lodenkämper, Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin

Imbissbetriebe als Zielscheibe von Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremer Gewalt Vortrag von Beate Selders

Störende Faktoren – Für demokratische Partizipation im ländlichen Raum Vortrag von Wolfram Hülsemann, Leiter des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung Demos

Rheinsberg: Standortfaktor Rechtsextremismus Von Jonas Frykman

Wittstock: Eine Stadt kämpft um ihren Ruf Von Martin Beck

Radikale Rechte in kleinstädtischen Räumen Ein Stadtspaziergang in Wittstock. Von Thomas Bürk-Matsunami

Das Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus in Wittstock und Umgebung Vortrag von Gisela Guskowsky-Bork

»Eine weniger spektakuläre, dafür differenzierte Auseinandersetzung ist wichtig« Interview mit Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive

»Wir sind herausgefordert uns zu wehren« Interview mit Heinz-Joachim Lohmann, Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit

»Demokratische Teilhabemöglichkeiten sind der beste Schutz gegen rechtsextreme Rattenfängerei« Interview mit Wolfram Hülsemann, Leiter des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung Demos


Files:

Dokumentation_Mobiler_Fachtag
[2006, 28 S.] application/pdf  998.9 KB

mobiler_fachtag-reader-2
[Reader: Mobiler Fachtag 29.9.2006, Opferperspektive/Aktionsbündnis, 32 Seiten] application/pdf  1.7 MB

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